Die Unterwäsche ist zu eng und nackte Mädels auf der Litfaßsäule sind die Hölle: "Mein neues bestes Stück" zwischen ihren Beinen stürzt eine Pariserin in schwere Bedrängnisse.Andreas Günther
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2017 Concorde Filmverleih GmbH In einem unbedachten Moment herbeigewünscht - nun ist er da: Erschrocken entdeckt Jeanne (Audrey Dana) in ihrer Schlafanzughose einen Penis.
Was sind Männer denn für Menschen? Wie affig quatschen sie in ihr Handy! Wie hochnäsig starren sie auf ihre Armbanduhr! Wie fasziniert schauen sie den Frauen nach - und die Frauen ihnen. Letzterer Blick von einer Passantin lässt Jeanne (Audrey Dana
) verschämt die Augen niederschlagen. Es ist Abend in Paris, sie ist in Männerkleidern unterwegs. Spielerisch greift Jeanne die männlichen Gesten auf, die sie beobachtet. Ein bisschen mokiert sie sich. Aber ihre Neugier hat einen, nun ja, ernsten Hintergrund: Sie ist nicht nur
Frau, sondern neuerdings auch zum Mann geworden. Jedenfalls hat sie plötzlich einen Penis und interessiert sich dafür, wie man damit lebt. Nach "French Women - Was Frauen wirklich wollen" siedelt sich Audrey Danas ruppiger Humor auch in ihrem neuen Film konsequent, wenngleich nicht
exhibitionistisch
unter der Gürtellinie an. Jeanne hat schon länger in der Krise gesteckt. Statt ihr einen Heiratsantrag zu machen, verkündet ihr Lebensgefährte Anton (Antoine Gouy), mit dem sie zwei süße Kinder hat, dass er sich von ihr trennt und seine Geliebte bald ein Baby
von ihm bekommt. Pünktlich zu dessen Geburt
wird auch noch seinem Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht für ihrer beider Sprösslinge stattgegeben. An dem Tag will nichts in ihrem Job als Bauingenieurin klappen, zumal die frische Erinnerung an ihren One-Night-Stand mit dem Kollegen Merlin (Éric Elmosnino) sie hemmt. So kommt ihr Stoßseufzer vor dem Schlafengehen, sie hätte gern einen Schwanz, dann würde ihr das alles nicht passieren, keineswegs von ungefähr. Eine heftige Gewitternacht tut ihr magisches Werk. Noch vor Morgengrauen ertappt sich Jeanne dabei, dass sie im Bad gerade im Stehen gepinkelt hat, schaut nach - und da sieht sie ihn, den Penis. Ihre Freundin Marcelle (Alice Belaidi) wähnt begeistert einen neuen Schritt zur Emanzipation getan, ihr Gynäkologe Doktor Pace (Christian Clavier
) reagiert erschrocken, ehe seine Gier auf die wissenschaftliche Sensation erwacht. Jeanne fügt sich dem Status Quo, möchte aber, dass der so schnell wie möglich aufhört. Der Penis
ist fürs Publikum nie zu sehen, überhaupt hat der Film nichts Pornographisches an sich. Eine besonders geistreiche Komödie über das Verhältnis der Geschlechter ist aber auch nicht herausgekommen. Jeannes abendliche Spaziergänge in Camouflage sind Ausnahmen schillernder Ironie. "Mein neues bestes Stück" bedient vor allem die Burleske. Unentwegt krümmt sich Audrey Danas Jeanne unter den ungeheuren Ausmaßen ihres neuen Geschlechtsteils, stöhnt und geht nur breitbeinig. Die Katastrophen des Alltags geben die dramaturgische Linie vor: Die Unterwäsche ist zu eng, die Hoden prallen mit dem Fahrradsattel zusammen. Auf Dauer ist das eher ermüdend als erheiternd. Zumal der Perspektivwechsel wenig Erhellendes bringt. Wie das allgegenwärtige Geschäft mit der weiblichen Nacktheit in Dessouswerbung und Herrenmagazinen auf den männlichen Hormonhaushalt wirkt, ist da ein unverhofftes Glanzlicht. Dafür lässt Audrey Dana allerdings von berechtigter Kritik an männlichem Verhalten zunehmend ab und entwickelt vielleicht etwas zu viel Verständnis für das andere Geschlecht. Auch ist Jeannes Kollege Merlin irgendwann kein zynischer Aufreißer mehr, sondern Superpapa für seine Kinder mit romantischen Impulsen. Immerhin sorgt das Schlussbild noch für echtes Geschlechterchaos.