"Wäre Bond das Geld wert?"
Es läuft gut für den gebürtigen Engländer, der der Liebe wegen nach Berlin zog. Gefunkt hat es zwischen ihm und Schauspielerin Alexandra Maria Lara bei den Dreharbeiten zu "Control". Seit 2009 sind sie verheiratet und inzwischen Eltern eines Sohns. In Jan-Ole Gersters in warmen Farben gedrehtem Noir-Thriller "Islands" spielt Riley einen abgehalfterten Tennistrainer in einem Luxus-Resort auf Fuerteventura. Ein Profi, der sich in Alkohol und flüchtige Affären stürzt und durch die Ankunft einer geheimnisvollen Frau und ihrer Familie aus der Routine gerissen wird.
Drei Monate trainierte Riley, um auf dem Tennisplatz zu überzeugen. Am Freitag ist er auf der Gala am Potsdamer Platz beim Deutschen Filmpreis. Denn Riley ist gleich zweimal nominiert: als Ballettänzer und Choreograf John Cranko in "Cranko" und eben für seine brillante Performance als Bester Hauptdarsteller in "Islands". So ist er selbst sein eigener schärfster Konkurrent.

AZ: Mr. Riley, was gefällt Ihnen an Tom, eine doch sehr ambivalente Persönlichkeit?
SAM RILEY: Ich habe das Drehbuch in einem Ruck gelesen. Eine Hauptrolle angeboten zu bekommen, macht verdammt glücklich. Man ist jeden Tag am Set und sitzt nicht stundenlang im Trailer herum und wartet. Mich faszinierte der ganze Tom, ein egoistischer und selbstzerstörerischer Typ. Ich verstand seinen Frust, nicht sein Potenzial ausgeschöpft, und das Leben nicht im Griff zu haben. Dieses Gefühl kennen wir doch alle.
Ein Anruf, der alles verändert
Wäre Ihr Leben anders verlaufen, wenn Sie an einer Kurve anders abgebogen wären?
Ich träumte als junger Mann von einer Zukunft als großer Rockstar. Diese Illusion zerbrach krachend. Ich habe viel später aus einem Impuls heraus einen Agenten angerufen, der mich zum Vorsprechen bestellte und ich bekam die Hauptrolle als Ian Curtis, dem genialen Frontmann der Band Joy Division in Anton Corbijns "Control". Ohne diesen Anruf an diesem Tag würden wir jetzt nicht hier sitzen. Und - wie schrecklich - ich hätte meine Frau Alexandra Maria Lara nicht getroffen und wäre nicht mit Sack und Pack nach Berlin gezogen...

Sie sind seit über 15 Jahren verheiratet. Was ist das Rezept für eine gute und andauernde Beziehung gerade in der Filmbranche?
Mein Opa hat gesagt "The secret of a good marriage is to say ,Yes', Darling". Aber ehrlich, ich weiß es nicht. Wir lieben einander und ich finde meine Frau immer noch so faszinierend, vielleicht sogar noch mehr als in dem Moment, als ich sie zum ersten Mal sah. Wir versuchen immer, uns zu verstehen, haben den gleichen Job, meistens die gleiche Meinung und setzen die gleichen Prioritäten.
Im Film wird Tom vom Vater seines Tennisschülers wegen dessen Freiheit beneidet. Der Verheiratete bezieht das auf Frauen und Eskapaden. Was heißt Freiheit für Sie?
Das Gras scheint immer grüner auf der anderen Seite. Freiheit heißt für mich, dankbar zu sein für das Leben, das ich heute und jetzt führe, nicht darüber nachzusinnen, was ich sein wollte. Einfach so glücklich zu sein, wie ich bin. Es geht nicht um frühere Wünsche, sondern darum, was ich jetzt habe.
Ist das Leben für Sie ein Kompromiss?
Das Leben ist immer Kompromiss. Ich bin in einer glücklichen Lage, bin gesund, habe gute Freunde und einen wunderbaren Sohn, lebe in einer tollen Beziehung. Was will ich mehr?
Fehlt Ihnen die Musik?
Ian Curtis zu spielen, war eine wunderschöne Erfahrung mit einzigartigen Momenten. Ich mag Musik immer noch, schreibe immer noch, und singe gerne. Aber Auftreten vor einem großen Publikum, das möchte ich nicht mehr. Zur Zeit habe ich eine erfreuliche Balance zwischen Anonymität und Präsenz. Ich kann mit der U-Bahn fahren, Restaurants besuchen und niemand erkennt mich.
"Schauspieler können nicht ihre Karriere bestimmen"
Ist man in Deutschland vielleicht zurückhaltender?
Es ist eine andere Kultur den Ruhm betreffend. In England war es zu meiner Zeit ziemlich verrückt mit den Paparazzi und der Presse. Das Publikum zeigt hier eine andere Haltung gegenüber Stars. Starrummel ist mehr an internationalen Stars wie Robert Pattinson oder Timothee Chalamet ausgerichtet, wie auf der Berlinale.
Liegt das vielleicht daran, dass deutsche Schauspieler sehr viel Fernsehen machen und deshalb an Strahlkraft einbüßen?
Es ist eine falsche Vorstellung zu glauben, Schauspieler könnten ihre Karriere bestimmen oder ihr Schicksal kontrollieren. Natürlich gibt es herausragende Stars, aber die meisten sind froh, wenn sie ihre Rechnungen zahlen können. Ich bin sicher, die Vielzahl der Schauspieler möchte auf die große Leinwand, es ist ein Privileg, Filmschauspieler zu sein. Wer über Jahre dieselbe Rolle in einer Serie spielt, genießt finanzielle Sicherheit. Beim Film gibt es immer wieder Lücken. Nach einem Engagement mit einer guten Gage kann die nächste Durststrecke folgen. Aber dennoch liebe ich es, bei jedem Film für sechs Wochen unter Strom zu stehen und einen Charakter zu verkörpern, mich ganz in eine Rolle hineinzuwerfen und im nächsten Film mit einer neuen Figur bei Null zu beginnen.
Nachdem Sie Ihre Musikerkarriere an den Nagel gehängt hatten, jobbten Sie in Bars oder einem Warenhaus. Haben Sie diese Erfahrungen auch als Schauspieler weiter gebracht?
Meine Eltern haben mich erzogen, arbeitenden Leuten respektvoll zu begegnen. So kam ich nie auf die Idee, mich besser als andere zu definieren. Je mehr Lebenserfahrung ich sammele, auch in puncto Emotionen, um so mehr kann ich dies in meinen Beruf einbringen und nach außen tragen. Ich bin an Menschen interessiert und beobachte gerne auch völlig mir fremde Leute, höre mir deren Unterhaltungen an.
Wo liegt für Sie der Unterschied, in England oder in Deutschland zu leben?
Engländer und Deutsche sind sich ähnlicher als ich dachte. Ich wuchs in einer Zeit auf, wo man noch viel über die Gegnerschaft im Krieg redete oder später beim Fußball. Inzwischen habe ich den Eindruck, wir sind sowas wie Cousins, haben mehr gemeinsam als wir denken - auch mehr Gemeinsamkeiten als mit Italienern, Spaniern oder Franzosen. Wenn ich bei den Dreharbeiten auf Fuerteventura die Gäste am Pool beobachtete, bemerkte ich keine Differenz zwischen dem Verhalten von Engländern und Deutschen, nicht nur weil beide gerne mit ihren Handtüchern die Liegen okkupieren.
Ist Berlin jetzt Ihre Heimat?
Berlin ist jetzt mein Zuhause. Zu Beginn fühlte ich mich in Berlin als Engländer, wenn ich jetzt in England bin, empfinde ich mich manchmal als Tourist. Es war aber auch romantisch, in einer Stadt zu sein, wo ich die Sprache nicht verstand, und Berlin hat diese faszinierende Geschichte: Storys mit Musiklegenden wie David Bowie, Depeche Mode und vielen anderen.
Im Nachrichtenmagazin "Spiegel" hieß die Headline mal "Sam Riley - Zu alt für Bond. Zu jung, um die Spülmaschine einräumen zu können." Wie würden Sie auf ein Angebot für James Bond reagieren?
Ich glaube wirklich, ich bin zu alt. In der Schule wäre das vielleicht mein Traum gewesen, ich war absoluter Bond-Fan, egal ob Sean Connery, Roger Moore oder Timothy Dalton. Heute würde eine James Bond-Verpflichtung mein ganzes Leben auf den Kopf stellen. Und wäre das das viele Geld wert? Ich glaube, James Bond hat Daniel Craig auch nicht so richtig happy gemacht. Er hat der Rolle seinen Stempel aufgedrückt, neue Facetten eingehaucht. Für seinen Nachfolger wird es nicht einfach.
Was ist für Sie "typisch deutsch"?
Hm, schwierig. Vielleicht völlig Fremden zu sagen, wie sie ihr Auto parken sollen. Wenn Sie in Berlin falsch parken, stehen ruckzuck 20 Leute um sie herum und geben lautstark Kommentare von sich. Das wäre in Leeds nicht so.