Von wegen Kunst

Ballern genügt nicht. "John Wick: Kapitel 2" will einen ästhetischen Rahmen. Aber einzig überzeugender Aktivposten des Action-Franchises bleibt Keanu Reeves.
Andreas Günther |
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Das Killerspektakel "John Wick: Kapitel 2" vervielfältigt gegenüber dem ersten Teil die Opferzahl, ohne doch an Qualität zu gewinnen.
Concorde Filmverleih GmbH Das Killerspektakel "John Wick: Kapitel 2" vervielfältigt gegenüber dem ersten Teil die Opferzahl, ohne doch an Qualität zu gewinnen.
"John Wick: Kapitel 2" bietet den brutalstmöglichen Kunstgalerie-Besuch. Das Muster geht so: Profikiller John Wick (Keanu Reeves) kauert hinter einem Sockel, auf dem eine Plastik steht. Ein gorillaartiger Typ mit Maschinenpistole
tappt vorbei. Wick attackiert ihn mit Judo unter, dann über der Gürtellinie. Mit der Maschinenpistole
des Gegners pustet er zunächst dessen herbeieilende Spießgesellen um, dann ihn selbst, mit Kopfschuss. Blut spritzt. Aber nicht auf die Artefakte, nur auf die Erklärtäfelchen. Und dann kommen auch schon die nächsten Bewaffneten an die Reihe. Die Wahl des Schauplatzes ist kein Zufall. Das Sequel zu "John Wick" (2014) verfällt bei der Sinnsuche auf das Erhabene der Kunst und versucht ungeschickt, seine ermüdenden Wiederholungen aus Überwältigen, Zweikampf, Schädelzerballern als so etwas wie "serielle Kunst" auszugeben. "John Wick: Kapitel 2" entspinnt sich zunächst wie ein Rückspul-Manöver des ersten Teils. Dort schliddert Wick in eine Auseinandersetzung mit der russischen Mafia
, nun beendet er die Fehde faustkampfstark, wobei sein geschätzter 1969-er Ford Mustang, weil als Waffe eingesetzt, zum Schrotthaufen wird. Hat Wick im ersten Film mühselig und martialisch sein Waffenarsenal
ausgebuddelt, mauert er es nun im Keller seiner Bauhaus-Villa wieder ein. Doch Frieden beim Spielen mit seinem Hund und in trauernder Erinnerung an seine verstorbene Frau findet er nicht. An einen verpflichtenden Blutschwur appellierend, möchte Mafioso Santino D'Antonio (Riccardo Scamarcio) den Ruheständler unbedingt für einen weiteren Job engagieren. Das Opfer: seine Schwester. Wick lehnt zunächst ab. Doch als sein Glas-und-Beton-Zuhause später in Schutt und Asche liegt, willigt er zerknirscht ein. In Rom nimmt die Erledigung des Auftrags einen ungewöhnlichen Verlauf, hat jedoch das gewünschte Resultat. Aber Wick wird zum Gejagten: Santino setzt sieben Millionen Dollar auf seinen Kopf aus - angeblich, um seine Schwester zu rächen. Alle Auftragsmörder
der Welt sind brennend interessiert. Hat es denn keine auratische Wirkung, wenn eine Art Medaillon mit feinster Gravur den Blutschwur symbolisiert? Wenn Santino vor dem Mord-Briefing mit Wick in die Betrachtung eines monumentalen Schlachtengemäldes vertieft ist? Wenn er zwischen riesigen Statuen mit seinen Killern
telefoniert? Wenn seine Schwester in einem palastartigen Gewölbe stirbt? Oder wenn Laurence Fishburnes Bettlerkönig Bowery King, zu dem sich Wick flüchtet, aufwendig deklamiert: "Der Mann, der Mythos, die Legende"? Nein, nichts von der ästhetischen Umgebung oder den literarischen Klimmzügen - siehe auch der prätentiöse Untertitel "Kapitel 2" - vermag Chad Stahelskis stupider Blutzoll-Inszenierung irgendeinen Glanz zu verleihen. Symptomatisch ist der gelangweilte Abstand der Kamera von Dan Laustsen zu den Geschehnissen, es sei denn, Wick ringt mit Cassian (Common) oder der stummen Santino-Handlangerin Ares (Ruby Rose). Oder er stößt - Achtung: Abwechslung! - einen Bleistift durchs Ohr ins Hirn seines Gegners. Der Showdown in einer Spiegelkabinett-Kunstinstallation namens "Reflections of the Soul" markiert den Tiefpunkt: Unendliche Widerspiegelung desselben, in steter Metzel-Selbstüberbietung, aber ohne Seele ist "John Wick: Kapitel 2". Keanu Reeves allein kann sie dem Film nicht einhauchen. So gut gibt er den Killer wider Willen, der gepresst spricht, steif geht und alles bereut, dass ihm dringend bessere Engagements zu wünschen sind.
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