Blödelnder Blindgänger: Darum ist Bullys "Das Kanu des Manitu" ein Reinfall

Natürlich ahnte es nach der Premiere im Sommer 2001 niemand: Aber die aus den Western-Sketchen der TV-Comedyshow "Bullyparade" entwickelte Komödie "Schuh des Manitu" wurde der erfolgreichste deutsche Film des bisherigen 21. Jahrhunderts. Und wird es – bei eher abnehmenden Zuschauerzahlen – wahrscheinlich auch bleiben.
Die Kritiken waren damals gemischt. Kritisiert wurden die reinen Blödeleien ("So, jetzt geht noch mal jeder aufs Klo, und dann reiten wir los!"). Anerkannt wiederum wurden die witzigen Anspielungen auf Karl May, die Verfilmungen der 60er-Jahre und Westernklassiker.

,,Apache in der Patsche!": Eine Dreifachklemme
Die Fortsetzung steckt jetzt in einer Dreifachklemme – man könnte auch sagen: Bully Herbig als "Apache in der Patsche!" Denn erstens lastet ein ungeheurer Erwartungsdruck auf dem "Kanu des Manitu". Zweitens wäre zwar die Fangemeinde nicht mit der "Gesamtsituation unzufrieden", wenn alles beim Alten bleibt. Aber künstlerisch und intellektuell wäre eine reine Wiederholung peinlich.
Was die dritte Problematik noch verschärft: Denn mittlerweile hat die Abrissbirne der humorfreien Political Correctness – trotz Gegenwind – gewütet. Egal, wie man es damit hält: Natürlich geht man mit der Darstellung von Indigenen und Queerness mittlerweile sensibler um. Und bisher waren auch Frauen in Bullys Westerngesellschaft quotenfrei unterrepräsentiert, kannten die Indianer keinen Schmerz ("Uns fehlen die Enzyme!") und machten schwule Prosecco-Stößchen auf der Puder-Rosa-Farm.

Frauenquote um 100 Prozent gesteigert?
Michael Bully Herbig hatte vor wenigen Jahren in einem Gespräch mit der AZ gesagt, er stünde zwar zu seinem "Schuh des Manitu", aber heute könne man das so nicht mehr machen. So überraschte vor anderthalb Jahren die Ankündigung von "Das Kanu des Manitu", die Bully Herbig später noch kommentierte: "Den Film genau dann zu drehen, wenn einige Leute meinen, dass man ihn nicht mehr drehen darf: Das hat mich unheimlich gereizt."
Szenenapplaus nur für den Original-Winnetou
So war die spannende Frage: Was macht "Das Kanu des Manitu"? Würde es eine erfrischende Auseinandersetzung mit den Auswüchsen der Political Correctness? Nach 88 Minuten ist klar: Auf die Herausforderungen haben die Co-Autoren Herbig, Tramitz und Kavanian keine Antwort gefunden. Und die Wiederholung des Gleichen nach 25 Jahren ist ein einfach so weiterblödelnder Blindgänger.

Zwar gibt es wieder viele Filmanspielungen – wie den Warnschriftzug im Rückspiegel "Objects in mirror are closer than they appear", den man aus "Jurassic Park" kennt. Bei Herbig ist er in einem Pferdekutschen-Rückspielgel eingraviert. Bei Spielberg sieht man dann gerade noch die Kniescheibe des riesigen Tyrannosaurus Rex, bei Herbig verpufft die Anspielung aber als ungesteigertes Gag-chen. Wie überhaupt der Film eine laue Gag-Aneinanderreihung ist.
Und so ist es auch nicht überraschend, dass es bei der Premiere nur zweimal Szenenapplaus gab, und das ist eigentlich eine kleine Ohrfeige: Den einen bekam der verstorbene Pierre Brice, der "Original"-Winnetou, der kurz hineingeschnitten wurde. Den anderen Sky du Mont für seinen kurzen Gastauftritt am Ende, wo sich "Der Schuh" im "Kanu" rückblickend selbst zitiert. Denn dem zweiten Abahachi-, Ranger- und Dimitri-Aufguss fehlt es vor allem an frischer Originalität. Nicht einmal neue Kultsprüche lassen sich herausdestillieren. Und die eingestreuten Musical-Songschnipsel sind läppisch.
Apache der Herzen statt der Genetik
Und was macht Michael Bully Herbig als Produzent, Regisseur und Co-Autor mit dem Vorwurf der "Cultural Appropriation"? Also, dass man als privilegierter weißer Mann keine Themen fremder, unterprivilegierter Kulturen mehr aufgreifen darf? Das wäre doch mal – inklusive des angeblichen Tabu-Wortes "Indianer" – eine wunderbare Angriffsfläche für Witz und intelligenten Humor gewesen. Eingefallen ist Herbig, Tramitz, Kavanian dazu aber nur, dass Abahatchi nach gut einer Stunde Blutsbrüder-Hassliebe und Zank wie ein altes Ehepaar kurz Abbitte leistet vor "echten" Indigenen: Es ist wirklich eine rührende Schlussszene, wenn erkannt wird: Auch wenn Herbig/Abahatchi kein echter Indianer ist: Was ein "echter Apache" ist, ist eine Herzensfrage und keine genetische. Diese durchaus befreiende, fast "Kleiner Prinz"-hafte Botschaft kann aber den Film nicht vor seiner ignoranten Oberflächlichkeit retten.
Winnetouch tuntet weiter
Am Premierenabend selbst hatte Herbig in die Mikrofone erklärt, dass er – zeitgeistgemäß – die Frauenquote um 100-Prozent gesteigert hätte. Aber Jessica Schwarz bleibt als "Boss" einer Siebener-Bande eine reine Randfigur und Jasmin Schwiers ist als Love-Interest des griechischen Tavernenbesitzes Dimitri (Kavanian) nur ein pfiffiges Hausmütterchen mit Französischkenntnissen. So bleibt der weibliche Faktor gefühlt quasi bei null und ändert nichts an der reinen Bluts-Brüder-Männergeschichte, was auch völlig okay ist.

Und wie merkt man, dass die große Referenz, "Der Schuh des Manitu" fast 25 Jahre her ist? Angekündigt war eine größere Reife der Figuren durch Lebenserfahrung. Der Altersfaktor aber beschränkt sich darauf, dass die Henkersmahlzeit vor dem Galgen als "Seniorenteller" bezeichnet wird und der Kampfbegriff vom "alten weißen Mann" zwar aufgenommen, aber nie pariert wird.
Eine intelligente Meta-Ebene fehlt. Und auch Zwillingsbruder Winnetouch tuntet ungeniert weiter mit Cocktails – jetzt als hüftschwingender Tanzschulen-Inhaber "der mit Frau Wolf tanzt". Das muss zwar keine Empörung auslösen, aber es entlockt einem allenfalls ein müdes Lächeln.
Kino: Astor in Arri und im Bayerischen Hof, Cadillac, Cincinnati, Gloria, Solln, Leopold, Mathäser, Cinemaxx, Royal, Rex, Rio
R,B,P,D: Michael Herbig (D, 88 Min.)