Kritik

"Das Kanu des Manitu": Wie gut kann man im neuen Bully-Herbig-Film lachen?

Michael Bully Herbig hatte zugegeben, dass Humor und Zeitgeist sich geändert haben. Trotzdem riskiert er 24 Jahren nach seinem größten Erfolg jetzt "Das Kanu des Manitu" – wieder mit Tramitz und Kavanian, auch als Co-Autoren. Was davon zu halten ist.
Adrian Prechtel
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Michael Bully Herbig und Christian Tramitz tappen im Dunkeln auf der Suche nach dem "Kanu des Manitu".
Michael Bully Herbig und Christian Tramitz tappen im Dunkeln auf der Suche nach dem "Kanu des Manitu". © Constantin Film / herbX film/Luis Zeno Kuhn
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Natürlich ahnte es nach der Premiere im Sommer 2001 noch niemand: Aber die aus den Western-Sketchen der TV-Comedyshow "Bullyparade" entwickelte Komödie von "Der Schuh des Manitu" wurde der erfolgreichste deutsche Film des bisherigen 21. Jahrhunderts – und wird es bei den eher abnehmenden Zuschauerzahlen wahrscheinlich auch bleiben. Die Kritiken damals waren gemischt – kritisiert wurden die reinen Blödeleien ("So, jetzt geht noch mal jeder aufs Klo, und dann reiten wir los!"). Anerkannt wiederum wurden die witzigen Anspielungen auf Karl-May- und dessen Verfilmungen der 60er-Jahre sowie Westernklassiker.

Ist dieser Look wirklich neu? Ein Werbeplakat für "Das Kanu des Manitu".
Ist dieser Look wirklich neu? Ein Werbeplakat für "Das Kanu des Manitu". © Constantin Film

Eine Fortsetzung der Grundideen nach fast einem Vierteljahrhundert steckt jetzt in einer Dreifachklemme – man könnte auch sagen: Bully Herbig als "Apache in der Patsche!" Denn erstens lastet ein ungeheurer Erwartungsdruck auf dem "Kanu des Manitu", der auch aus nostalgischer Verklärung des Originals herrührt.

Zweitens ist die Frage, ob eine reine Wiederholung des Erfolgskonzepts künstlerisch ausreicht? Aber genau das will ja eine Fangemeinde nicht, weil sie sonst mit der "Gesamtsituation" unzufrieden wäre.

Was hat der Zeitgeist mit diesem Humor gemacht?

Was die dritte Problematik noch verschärft. Denn mittlerweile hat die Abrissbirne der humorfreien Political Correctness – trotz Gegenwind – den Zeitgeist so mitgeprägt, dass man natürlich sensibler umgeht mit der Darstellung von Indigenen und Queerness, also mit Indianern ("Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Uns fehlen die Enzyme!") und Schwulen (Prosecco-Stößchen auf der Puder-Rosa-Farm). Auch Frauen waren in dieser Western-Gesellschaft der Jahrtausendwende noch quotenfrei unterrepräsentiert.

Klingt nach feministischer Nachjustierung: Jessica Schwarz als "Der Boss".
Klingt nach feministischer Nachjustierung: Jessica Schwarz als "Der Boss". © Constantin Film

Wenigstens die Tierschutzorganisation PETA wird den Film wegen Einfühlsamkeit in Ruhe gelassen haben, weil Abahachi zu seinem Pferd Jacqueline sagt: "Schön langsam, Jaqueline, sonst kotzt du wieder alles voll!"

Ein Apachen-Pfeil in die verunsicherte deutsche Filmbranche

Michael Bully Herbig hatte vor wenigen Jahren noch in einem Gespräch mit der AZ gesagt, dass sich der Humor in den vergangenen zwanzig Jahren verändert habe. Zwar stünde er weiterhin zu seinem "Schuh des Manitu", aber heute könne man das wohl so nicht mehr machen. So schlug im Januar 2024 die Mitteilung elektrisierend in die schwächelnde deutsche Kinobranche ein wie ein Apachen-Pfeil: Bully Herbig arbeitet mit dem gleichen Team und gleichem Look am "Kanu des Manitu". "Den Film genau dann zu drehen, wenn einige Leute meinen, dass man ihn nicht mehr drehen darf: Das hat mich unheimlich gereizt", sagt Herbig zu seiner Neuproduktion: "Im Grunde wollten wir das Gleiche liefern – nur anders."

Aber wie sieht diese Quadratur des Kreises jetzt aus? Herbigs Antwort ist nach 88 Minuten klar:  Die Wiederholung des Gleichen 25 Jahre später ist letztlich ein Blindgänger.

Co-Autoren nd Blutsbrüder: Michael Bully Herbig als Abahachi und Christian Tramitz als Ranger im "Kanu des Manitu".
Co-Autoren nd Blutsbrüder: Michael Bully Herbig als Abahachi und Christian Tramitz als Ranger im "Kanu des Manitu". © Constantin Film / herbX film/Luis Zeno Kuhn

Woody Allen hatte in seiner frühen Slapstick-Zeit mal die These aufgestellt: Ein guter Gag sei ein guter Gag, und ein Film, in dem sich ein guter Gag an den anderen reiht, ergebe einen guten Film. In diesem Sinne wäre "Das Kanu des Manitu" sogar noch einigermaßen gelungen. Denn es gibt viele Filmanspielungen, wie die Rückspiegelaufschrift "Objects in mirror are closer than they appear" aus "Jurassic Park" ist hier in einen Pferdekutschen-Rückspielgel eingraviert. Aber was bei Spielberg dadurch gesteigert witzig wird, dass man im Spiegel gerade noch die Kniescheibe des Tyrannosaurus Rex sieht, verpufft bei Herbig als ungesteigertes Gag-chen.

Zweimal gab es bei der Premiere Szenenapplaus

Wie überhaupt der Film eine laue Gag-Aneinanderreihung ist. Und so ist es auch nicht überraschend, dass es in der Premiere zweimal einen Szenenapplaus gab: Einmal für Piere Brice, der "Original"-Winnetou, der kurz als Zitat hineingeschnitten wurde, und für den Kurz-Gastauftritt von Sky du Mont am Ende, wo sich "Der Schuh" also im "Kanu" selbst zitiert. Denn dem zweiten Abahachi, Ranger und Dimitri-Aufguss fehlt es vor allem an einem: neuer Originalität. Nicht einmal neue Kultsprüche lassen sich herausdestillieren. Und die eingestreuten Musical-Songs sind läppisch.

Man muss auch den Vorwurf der "Cultural Appropriation" gar nicht teilen:  also den Vorwurf, man dürfe als privilegierter Weißer und dazu noch Mann nicht Themen von fremden Kulturen aufgreifen. Aber hatte nicht Herbig selber gesagt, man könne nicht im veränderten Zeitgeist so tun, als ob der gesellschaftliche Diskurs nicht fortgeschritten wäre? Eingefallen ist dem Autoren-Trio Herbig, Tramitz, Kavanian dazu nur, dass Abahachi am Ende Abbitte leistet vor "echten" Indigenen: Es ist wirklich eine kurze rührende Schlussszene, wenn erkannt wird: auch wenn Herbig kein echter Indianer ist, was ein "echter Apache" ist, ist eine Herzensfrage und keine genetische – was durchaus eine befreiende, fast "Kleine Prinz"-hafte Botschaft ist.

Frauenquote um 100 Prozent gesteigert – Winnetouch tuntet ungeniert weiter

Dass sich mit Jessica Schwarz als "Boss" einer Siebener-Bande und mit Jasmin Schwiers als Love-Interest von Dimitri (Kavanian) die Frauenquote um 100 Prozent gesteigert hätte, wie Herbig am Premierenabend sagte, ändert natürlich nichts an der reinen Bluts-Brüder-Männergeschichte, was auch völlig okay ist. Aber was die angekündigte größere Reife der Figuren, also deren Entwicklung anbelangt: Die beschränkt sich auf die Selbstironie, dass man doch ein bisschen älter geworden ist, so dass eine Henkersmahlzeit vor dem Galgen als "Seniorenteller" bezeichnet wird und der Kampfbegriff vom "alten weißen Mann" selbstironisch aufgenommen ist. Aber das reicht als intelligente Meta-Ebene einfach nicht. Und Winnetouch tuntet ungeniert einfach mit Cocktails und jetzt als Tanzsch(w)ulen-Inhaber einfach ungeniert weiter, was zwar keine Empörung auslösen muss, aber allenfalls ein müdes Lächeln.

Rick Kavanian als Dimitri liest, dass seine Kumpels in Lebensgefahr sind: Nur macht diesmal nicht ein Marterpfahl die Gesamtsituation unzufrieden, sondern die Drohung mit dem Galgen.
Rick Kavanian als Dimitri liest, dass seine Kumpels in Lebensgefahr sind: Nur macht diesmal nicht ein Marterpfahl die Gesamtsituation unzufrieden, sondern die Drohung mit dem Galgen. © Constantin Film / herbX film/ Luis Zeno Kuhn

Ob die Constantin-Film nach dieser Premiere mit der neuen Gesamtsituation zufrieden sein wird? Wohl nicht. Der Film müsste vielleicht fünf Millionen Zuschauer ziehen, wozu jeder dritte Zuschauer von damals sich noch einmal hinter dem Ofen vorlocken lassen müsste. Und für jeden, bei dem das nicht mehr gelingt, müsste ja eine Neue oder ein Neuer eine Kinokarte lösen. Aber für Jüngere ist der Film ein ewig gestriger und für Ältere nur schale Nostalgie.

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