"Vom Ende einer Geschichte": Wer hat wen geliebt?

"Vom Ende einer Geschichte": Eine auch ernste britische Komödie über Selbstbetrug und falsche Erinnerungen. Die AZ-Filmkritik.
Margret Köhler |
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Wie war das damals an der Uni? Jim Broadbent und Charlotte Rampling als Paar, das sich nach Jahrzehnten wiederbegegnet.
Wildbunch Germ. Wie war das damals an der Uni? Jim Broadbent und Charlotte Rampling als Paar, das sich nach Jahrzehnten wiederbegegnet.

Dem netten Briefträger, der ihn fröhlich morgens grüßt, gibt er aus Prinzip keine Antwort, das Einschreiben steckt er ungeöffnet in die Jackentasche. Tony Webster ist glücklich geschieden und ein ziemlich brummiger Zeitgenosse, der sein zurückgezogenes Dasein liebt und Kunden in seinem Laden für gebrauchte Kameras als lästig empfindet.

Mit seiner Ex (Harriet Walter) trifft er sich gerne zum Essen und wenn’s sein muss, geht er widerwillig mit seiner Single-Tochter zum Geburtsvorbereitungskurs. Alles also noch im grünen Bereich – bis er endlich das vergessene Einschreiben liest und sich die späten 1960er Jahre ins Gedächtnis ruft: College, Partys, erstes Herzklopfen und Zusammenhalt unter Jungs.

Nach dem Bestseller von Julian Barnes wirft der indische Filmemacher Ritesh Batra ("Lunchbox") einen Blick zurück auf die Studentenzeit, in der Tony sich in die schöne Veronica verknallte, die sich dann aber für seinen besten Freund entschied, der später Selbstmord beging.

Verschwiegene Wahrheiten und verheimlichte Intrigen

Der großen Jugendliebe (im Alter kühl und distanziert: Charlotte Rampling) begegnet er zufällig nach Jahrzehnten wieder und seine Lebensgeschichte sieht plötzlich anders aus: Beim Graben in der Vergangenheit kommen verdrängte Schuldgefühle hoch.

Verschwiegene Wahrheiten und verheimlichte Intrigen stellen sein geschöntes Selbstbild in Frage, lassen ihn an seiner – sich selbst vorgegaukelten – Integrität zweifeln. Die Komplexität der literarischen Vorlage wird zwar vereinfacht, die Erzählung aus der Perspektive Tony Websters aber beibehalten. Randfiguren – wie die Ex-Frau oder die Tochter – erhalten mehr Bedeutung. Für Michelle Dockey von "Downton Abbey" wurde die Rolle der Schwangeren sogar ausgebaut.

Die zwei Zeitebenen mit ständigen Flashbacks – Studentenzeit und Heute – erleichtern allerdings nicht den Zugang zum manchmal schwer nachvollziehbaren Handlungsbogen. Dass die betuliche Inszenierung doch ansehnlich und emotional spannend bleibt, liegt an der bis in die Nebenrollen optimalen Besetzung.

Das schauspielerische Glanzlicht setzt Oscar-Preisträger Jim Broadbent im Wandel vom skurril-egoistischen Kerl zum liebevollen Vater und großmütigen Mann, der erfährt, wie trügerisch die Erinnerung sein kann. Aber das Leben geht weiter.


Kino: Arena, Leopold R: Ritesh Batra (GB, 108 Min.)

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