Verkaufte Seele

Justus von Dohnányi brilliert in Andreas Dresens Adaption von "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" als manipulativer Dämon, dem das Lachen abhandengekommen ist.
Heidi Reutter |
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Andreas Dresen hat "Timm Thaler" als moderne Familienunterhaltung inszeniert.
2016 Constantin Film Verleih GmbH Andreas Dresen hat "Timm Thaler" als moderne Familienunterhaltung inszeniert.
Andreas Dresen ist einer der spannendsten Regisseure des deutschen Kinos: Filme wie "Sommer vorm Balkon" (2005) oder "Halt auf freier Strecke" (2011) zeichnet eine Realitätsnähe aus, die trotz aller Inszenierung dokumentarisch anmutet. Seine Schauspieler
führt er auf eine Weise, dass deren Spiel nicht mehr erkennbar ist. Und so tragisch die zwischenmenschlichen Geschichten, die Dresen erzählt, auch sein mögen - es gibt immer etwas zu lachen. Nun hat sich der Filmemacher an ein Sujet gewagt, das für ihn eine Premiere ist: die Adaption von James Krüss' 1962 erschienenem Jugendbuch "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen", das schon Regisseur Sigi Rothemund vor knapp 30 Jahren als erfolgreiche TV-Serie mit Thomas Ohrner und Horst Frank
verfilmt hat. Die Geschichte, die hier von Joachim Król
aus dem Off erzählt wird, kennt man ja: Timm Thaler (Arved Friese) ist ein netter, positiver Junge, der viel und gerne lacht. Und dass obwohl er früh seine Mutter verloren hat und mit seinem Vater Hans (Bjarne Mädel) in bescheidenen Verhältnissen lebt. Als der Vater tödlich verunglückt, ist Timm nicht mehr derselbe, zumal er sich nun mit der biestigen Stiefmutter Lydia (Steffi Kühnert) und deren hinterhältigem Sohn Erwin (Emil von Schönfels) arrangieren muss. Weil sein Vater nicht mal einen Grabstein hat, will Timm auf der Pferderennbahn sein Glück versuchen und begegnet dort dem dämonischen Baron Lefuet ( Justus von Dohnányi
), der mit Timm einen teuflischen Pakt schließt: Er sorgt dafür, dass Timm fortan jede Wette gewinnt und bekommt dafür Timms unbeschwertes Lachen. Der aufgeweckte Junge merkt schnell, dass Gewinnen und auch Geld auf Dauer nicht glücklich machen und versucht mithilfe seiner Freunde Ida (Jule Hermann) und Kreschimir (Charly Hübner), sein Lachen zurückzubekommen. Andreas Dresen hat für seine Neu-Adaption, zu der Autor Alexander Adolph ("So glücklich war ich noch nie", 2009) das Buch geschrieben hat, groß aufgefahren: nicht nur bezüglich der grandiosen Ausstattung der Sets, die ja wie im Buch
Anfang des 20. Jahrhunderts spielen, sondern auch im Hinblick auf die Schauspieler. Justus von Dohnányi gibt lustvoll den intriganten Lefuet, und Arved Friese ("Der Nanny", 2015) spielt Timm Thaler herzallerliebst. Weitere Rollen hat Dresen seinen Lieblingsakteuren übertragen, die schon in seinen früheren Filmen mitgewirkt haben: Nadja Uhl, Milan Peschel, Axel Prahl
und Andreas Schmidt. Und als kleines Sahnehäubchen gibt Ex-Talkmaster Harald Schmidt gewohnt scharfzüngig den Rennbahn-Kommentator. Ex-"Timm Thaler" Thomas Ohrner hat einen kleinen, charmanten Gastauftritt. Bei der Bearbeitung des Drehbuchs haben sich die Filmemacher hier und da bewusst von der literarischen Vorlage befreit: So agieren Axel Prahl und Andreas Schmidt als devote Handlanger, die von Lefuet auch mal zu animierten Ratten verwandelt werden, soviel Tribut an die Neuzeit muss sein. Eindrucksvolle Kulissen, historische Kostüme - beim Produktionsdesign wurde geklotzt, gerade auch bei klinischen gehaltenen Machtzentrale von Lefuet, die im Zeitalter von Tablets und Youtube den Ansprüchen der medial verwöhnten Kids genügen muss. Auch wenn Dresen vieles richtig gemacht hat und ihm eine fantasievolle Umsetzung gelungen ist, ist der Film nicht ganz rund: Hier und da wirkt er aufgesetzt und überdreht. Und so bleibt der Eindruck, dass diese ambitionierte Hochglanz-Familienunterhaltung nicht ganz Dresens Sache ist, der sonst eine eher leise, aber feste Stimme im Deutschen Kino hat.
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