"Tour de France": Die Marseilleise als Rap
Klischeehaft, aber herzerwärmend: "Tour de France" von Rachid Djaïdani.
Fast glaubt man, O-Ton Marine Le Pen zu hören, wenn Gérard Depardieu als spießiger Rentner über Islam und Ausländer schimpft, die "Grande Nation" bedroht sieht und die Franzosen als zukünftige Minderheit am Abgrund.
Der von ihm gespielte Serge Desmoulins wohnt in einer heruntergekommenen Gegend von Dieppe und will das seiner Frau auf dem Sterbebett gegebene Versprechen einlösen, die Hafenbilder von Claude Joseph Vernet, Auftragsmaler von Ludwig XV, an den Originalorten nachzumalen.
Eigentlich soll ihn sein missratener, sprich zum Islam konvertierter Sohn, ein Musikproduzent, durchs Land fahren, doch der schickt den 20-jährigen Rapper Far‘Hook, der wegen Ärger mit einer verfeindeten Gang Paris ohnehin verlassen und untertauchen muss.
Die Reise des gegensätzlichen Duos steht unter keinem guten Stern. Schon zu Beginn weigert sich der rassistische Starrkopf, den neuen Namen seines Filius zu akzeptieren, der heißt für ihn immer noch Mathias und nicht Bilal. Natürlich gefällt ihm auch der Fahrstil des Fremden nicht, den er trotz französischer Staatsangehörigkeit ständig als Araber bezeichnet.
Ein voraussehbares Ende
Dass der keinen Wein trinkt und Käse für "stinkende Scheiße" hält, beweist für ihn nur dessen kulturelle Unterlegenheit. Dagegen bringen die aus dem Autoradio tönenden rechten Parolen, nach denen Araber Einheimischen die Jobs wegnehmen, Far‘Hook auf die Palme.
Die fast väterliche Freundschaft am Ende ist voraussehbar, und auf einige Klischees hätte Rachid Djaïdani in seinem zweiten Film verzichten können. Aber für einen großartigen Depardieu, der in wabbeligen Shorts plötzlich lauthals die Marseilleise rappt, einen guten Tropfen nicht verschmäht, genussvoll futtert und anschließend ungeniert in den Zähnen pult, nimmt man auch einige grobe Vereinfachungen in Kauf.
Der Regisseur, Sohn eines algerischen Arbeiters und einer Sudanesin aus der Pariser Banlieue, kennt das Milieu, aus dem Far‘Hook stammt, und stellt zwei beengte Welten gegenüber: die der Front Nationale und die der Großstadtghettos.
Es darf kräftig menscheln in diesem Buddy-Movie, ein Plädoyer für Toleranz in Zeiten von tumbem Rechtspopulismus. Dass die zwei Protagonisten Verständnis füreinander entwickeln und der Alte noch mit äußerst ungewöhnlichen Methoden dafür sorgt, dass der Junge in Marseille auftreten kann, mag mit der harten Wirklichkeit kollidieren und märchenhaft sein. Ist aber Balsam für die Seele.
R: Rachid Djaidani (F, 94 Min.)
Kino: Arena
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