Tilda Swinton im Freiheitskampf im letzten Zug der Menschheit
Schocker, schrille Satire, kluge Sozialstudie – das ist „Snowpiercer“ von Bong Joon-ho
Hitzewellen, Gletscherschmelze, Ernteausfälle, Wasserknappheit. Die Schlagworte aus dem Bericht des Weltklima-Rats lassen nicht nur Zweckpessimisten aufhorchen. Steht es um die Zukunft der Erde wirklich so schlecht bestellt? Und was für Maßnahmen helfen tatsächlich gegen die globale Erwärmung? Auf diese bangen Fragen findet Regisseur Bong Joon-ho in seinem sehenswerten Schocker „Snowpiercer" erschreckende Antworten. Sein Untergangsszenario spielt 2031, sprich: in einer gar nicht so fernen Zukunft. Und dennoch ist die Erde hier bereits zur Eiswüste erstarrt, weil ein Schnellschuss-Beschluss der Politik – angeblich Temperatur senkende Chemikalien in die Atmosphäre zu blasen – sich als Kopfschuss-Idee entpuppt.
Klassengesellschaft in eisiger Stimmung
Der einst blaue Planet hat sich in einen tödlich weißen verwandelt. Und die letzten Überlebenden hausen in einem gigantischen Zug, der als Perpetuum Mobile die Erde umrundet. Bong, der bereits mit dem Monster-Hit „The Host" bewiesen hat, dass man auch im Blockbusterkino Gesellschaftskritik verstecken kann, nutzt die schaurige Graphic-Novel-Vorlage für einen originellen Mix aus Action-Splatter, schriller Satire und kluger Sozialstudie. Was seinen Film trotz manch irritierender Abzweigung im vertrackten Plot auf den Spannungsschienen hält, ist die konsequente Inszenierung.
Wie fängt man eine Revolution in der 3. Klasse an?
Die Revolution von unten fängt im letzen Wagon eines Zuges an. Denn die Eisenbahn ist streng nach Klassen unterteilt, und der große Bruder ganz vorne im Maschinenraum fühlt sich ein bisserl gleicher als alle anderen. Es erscheint fast ironisch, dass ausgerechnet „Captain America"-Darsteller Chris Evans die im Schmutz und ohne Fenster lebende Multikulti-Unterschicht in die „Freiheit“ führen soll. Wie im Computerspiel kämpft man sich opferbereit Level für Level nach vorne, kommt an bizarren Gegenspielern (Tilda Swinton mit Perücke und Überbiss) und Propaganda-Schulen vorbei, bis endlich der Endgegner (Ed Harris) erreicht ist. Und für dieses blitzgescheite Duell nimmt man auf der Kinofahrt gerne auch die ein oder andere Verspätung in Kauf.
Kino: Mathäser, Neues Gabriel, Monopol (dt. und OmU), Atelier (OmU), Cinema in OF; R: Bong Joon-ho (Südkorea, 126 Min.)
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