"The Visit": Besuch bei alter Dame

„The Visit“ ist ein Horrorfilm – aber mit interessanten Bezügen zu unserer Gesellschaft und guter Personenpsychologie. Enkel übernachten bei ihre Großeltern - doch das Treffen der Generationen läuft ganz anders ab, als erwartet.
Florian Koch |
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„The Visit“ ist ein Horrorfilm – aber mit interessanten Bezügen zu unserer Gesellschaft und guter Personenpsychologie. Enkel übernachten bei ihre Großeltern - doch das Treffen der Generationen läuft ganz anders ab, als erwartet.

Vom Pfiffikus zur Lachnummer. Wohl kaum ein Regisseur ist in Hollywood härter abgestürzt als M. Night Shyamalan. Wie einst Ikarus wurde der gebürtige Inder nach dem Sensationserfolg mit „The Sixth Sense“ übermütig und verhob sich zuletzt mit dem lärmend-leeren Special-Effects-Blödsinn „Die Legende von Aang“ und der moralisierenden Vater-Sohn-Fabel „After Earth“.

Der Will-Smith-Flop hatte jedoch ein Gutes. Shyamalan wurde in Hollywood zum Ausgestoßenen, musste sich nach einer Mystery-Serie („Wayward Pynes“) kreativ neu erfinden. Kurzentschlossen investierte er seine Fünf Millionen Dollar Gage für „After Earth“ in ein Geheimprojekt, das er nahe seinem Zuhause im ländlichen Pennsylvania realisierte. „The Visit“ wurde dann nicht nur zum erhofften finanziellen Erfolg (US-Einspiel: über 45 Millionen Dollar), sondern auch zum künstlerischen Befreiungsschlag für Shyamalan. Ganz ähnlich wie in „The Sixth Sense“ schleicht sich das Grauen ganz langsam in die Welt der Kinder ein – nur um den Zuschauer in einer diesmal nicht ganz so spektakulären Schlusspointe noch einmal zu überrumpeln. Neu an „The Visit“ ist aber, dass nach den gut getimten Schocks immer wieder befreiender Humor einsetzt.

Statt mit „Ich sehe tote Menschen“ könnte man den Film mit „Ich sehe alte Menschen“ überschreiben. Denn Tyler (Ed Oxenbould) und Becca (Olivia DeJonge) sollen erstmals ihre Großeltern kennenlernen. Mit denen hatte sich ihre Mama zwar vor 15 Jahren überworfen, doch wenn man mit dem Lover endlich in Urlaub fahren kann, muss man die Kids ja irgendwo unterbringen. Anfänglich verläuft das Treffen der Generationen in gemütlichen Kaffee-und-Kekse-Bahnen, bis sich immer mehr Merkwürdigkeiten einschleichen. Warum kratzt Omi nachts splitternackt an Türen? Und was um Himmels Willen hat Opi geritten, auf einen Passanten wie wild einzudreschen? Irgendwann kann Muttis lapidare „Sie sein eben alt“-Erklärung Tyler und Becca nicht mehr beruhigen.

Was „The Visit“ aus dem Horror-Einerlei heraushebt, ist nicht seine Machart – der Schocker wird wie „Blair Witch Project“ als Pseudo-Dokumentation erzählt - sondern seine Charakterisierung der Kids. Becca, eine ambitionierte Hobby-Filmerin, und Tyler, ein cooler Möchtegern-Rapper mit Zwangsneurosen, wirken wie so viele Kinder von heute: technikaffin, selbstgewiss, aber unter der lässig-witzigen Oberfläche doch auch ängstlich, geplagt von Selbstzweifeln.

Wie Shyamalan den immer größeren Bruch zu Senioren, die nun einmal keine Silver Surfer sind, glaubwürdig spürbar macht, ist am Ende bedrohlicher als so manche starke Gruseleinlage.

Florian Koch

Kino: Cinemaxx, Mathäser sowie Museum und Cinema (OV)

R: M. Night Shyamalan (USA, 94 Min.)

Wir verlosen zwei Fanpakete mit je einem Filmplakat, Kochschürze und T-Shirt. Bis 26.9. eine E-Mail an: kultur@az-muenchen.de, „The Visit“ (Adresse angeben)

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