Kritik

So gut ist der neue Film über Bruce Springsteen

Jeremy Allen White überzeugt als Bruce Springsteen in Scott Coopers Biopic „Deliver Me From Nowhere“
Volker Isfort
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Allein in seinem Schlafzimmer komponiert Bruce Springsteen (Jeremy Allen White) die intimen Songs von „Nebraska“.
Macall Polay/20th Century Studios 3 Allein in seinem Schlafzimmer komponiert Bruce Springsteen (Jeremy Allen White) die intimen Songs von „Nebraska“.
Jeremy Allen White als Bruce Springsteen.
Macall Polay/20th Century Studios 3 Jeremy Allen White als Bruce Springsteen.
Jeremy Allen White als Bruce Springsteen.
20th Century Studios 3 Jeremy Allen White als Bruce Springsteen.

Nach Beendigung seiner „The River“-Tour im Jahr 1981  ist Bruce Springsteen eigentlich schon am Ziel seiner Träume. Er gilt mit seiner E Street Band als der beste amerikanische Live-Act, füllt  Stadien und große Hallen (auch in Europa) und hat mit „Hungry Heart“ seinen ersten Top Ten Hit. Aber seine Angst wächst, sich von den Menschen zu entfernen, für die er eigentlich auf der Bühne stand.  Denn der Held der amerikanischen  Arbeiterklasse weiß, dass er nicht eine Stunde in seinem Leben gearbeitet hat. Der neue Superstar hat sogar Hemmungen, sich für 10.000 Dollar zum ersten Mal im Leben ein neues Auto zu kaufen. Und am Horizont ziehen dunklen Wolken auf, die ihn ein Leben lang beschäftigen sollen.

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Hier setzt Regisseur Scott Coopers Biopic „Deliver Me From Nowhere“ ein, die Adaption des gleichnamigen Buches von Warren Zanes. Die entscheidenden zwei Jahre in Springsteens Identitätsfindung deckt der Künstler in seiner Autobiografie „Born To Run“ auf wenigen Seiten ab, Warren Zanes walzt sie in seinem erstaunlich redundant erzählten Buch auf über 300 Seiten aus.

Springsteen Auszeit im neu angemieteten Farmhaus Colts Neck führt zur Neuerfindung. Terrence Malicks Film „Badlands“ bringt ihn auf die Geschichte eines Mörders.  Auch die Erzählungen  der Schriftstellerin Flannery O'Connor inspirieren ihn. Er schreibt in wenigen Wochen etliche Songtexte über Außenseiter, Verlierer, über die Distanz zwischen dem amerikanischen Traum und der amerikanischen Realität, wie er rückblickend sagen wird. Die Plattenfirma will hingegen den nächsten Hit.

Jeremy Allen White als Bruce Springsteen.
Jeremy Allen White als Bruce Springsteen. © Macall Polay/20th Century Studios

Künstlern beim kreativen Prozess über die Schulter zu schauen, gehört nicht zum Spannendsten, was das Kino zu bieten hat. Jeremy Allen White ist zwar als Springsteen absolut überzeugend, hat aber außer einem kraftvollen Liveauftritt („Born to Run“) und der Studioaufnahme von „Born in the U.S.A“ kaum Chancen, die Rolle über den Dauergrübler und Verzweifelten hinaus zu entwickeln.

Die berühmteste Kassette der Rockmusik 

In schwarz-weiß gehaltenen Rückblicken in die Kindheit erzählt Regisseur Cooper vom schwierigen Verhältnis des Jungen zu seinem alkoholkranken Vater (Stephen Graham), der sich dauernd mit der liebevollen Mutter (Gaby Hoffmann) streitet. Auch diese Bohrungen in die Vergangenheit findet ihren Niederschlag auf dem Album „Nebraska“, das Springsteen mit einem Vier-Spur-Kassettenrekorder in seinem Schlafzimmer in Colts Neck aufnehmen wird - ohne es zu wissen. Denn er glaubt, dass seine intim aufgenommenen Songs nur das Demo-Material bilden sollen, das er im Studio mit seiner E Street Band zu kraftvollen Versionen verändern will.

Jeremy Allen White als Bruce Springsteen.
Jeremy Allen White als Bruce Springsteen. © 20th Century Studios

Doch das klappt nur in Ausnahmefällen. Nach entmutigenden Wochen entscheidet der Boss schließlich, dass das Album so veröffentlicht werden solle, wie er es auf der Kassette aufgenommen habe. Doch das ist leichter gesagt, als technisch umgesetzt.

Keine Promo, keine Single, keine Tour 

Wie sein Freund und Manager Jon Landau (Jeremy Strong) die mutmaßliche ökonomische Hiobs-Botschaft dem Plattenmanager zu vermitteln versucht, gesteigert noch durch Springsteens Absage an eine begleitende Tour, Single oder Interviews, gehört zu den besten Szenen des Films. Denn leider steht der Kampf gegen die Dämonen so sehr im Zentrum des Films, dass nicht einmal die E Street Band einen würdigen Platz erhält, sie bleibt pure Studiostaffage.

So fällt Coopers „Deliver Me From Nowhere“ entscheidend hinter James Mangolds mitreißendes Dylan-Porträt „A Complete Unknown“ zurück. Denn während Mangold die kreative Explosion eines Künstlers in einer gesellschaftlichen Umbruchszeit unterhaltsam umsetzt und Musikszenen  ideenreich visualisiert, wirkt der Springsteen-Film phasenweise bleiern, und wird auch durch die kurze Liebesepisode mit der Kellnerin Faye (Odessa Young) nicht lebendiger.

Springsteen ist ein Kontrollfreak 

Daran ist der Boss selber nicht ganz unschuldig. Schließlich hat der selbsternannte Kontrollfreak nicht nur beim Drehbuch mitgesprochen, er war auch regelmäßig am Set dabei und hat versucht, sein Leben aus seiner Sicht so wahrheitsgemäß wie möglich auf die Leinwand bringen zu lassen.

Aber vielleicht geht es dem Boss nach vier Jahrzehnten als Superstar auch um eine außermusikalische Filmbotschaft: therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn man seelisch so am Boden liegt, wie er in der „Nebraska“-Zeit.

Bekanntermaßen kam Springsteen 1984 zurück ins Rampenlicht mit „Born in the U.S.A“ - und dicken Muskeln (diese hat Jeremy Allen White allerdings schon zu Beginn des Films).

 

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