"Spotlight": Ein Fall von verkorkster Sexualmoral

Tom McCarthys Drama „Spotlight“ zeigt, dass die Ursachen des Missbrauchs letztlich auch im System liegen.
Adrian Prechtel |
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Rachel McAdams als Sacha Pfeiffer, Mark Ruffalo als Michael Rezendes und Brian d'Arcy James (re) als Matt Carroll bei Ihren Recherchen.
Kerry Hayes/Open Road Films/Paramount Rachel McAdams als Sacha Pfeiffer, Mark Ruffalo als Michael Rezendes und Brian d'Arcy James (re) als Matt Carroll bei Ihren Recherchen.

Das Thema ist abstoßend. Der Film nicht, weil er das Ganze aus der Perspektive einer Zeitungsredaktion zeigt: „Spotlight“ ist ein Medien- und Gesellschaftsdrama zum Thema „sexueller Missbrauch von Kindern“ in katholischen Institutionen. Journalisten einer Bostoner Zeitung stoßen auf erste Fälle – und recherchieren.

Hier sind bereits die ersten Spannungsmomente eingebaut. Denn: Die Zeitung muss bereit sein, ausreichend Personal und Geld zur Verfügung zu stellen, ohne zu wissen, was rauskommen wird. Kurz, „ob es sich lohnt“. Und: Das Thema ist heikel! Die katholische Kirche ist mächtig, mauert, vertuscht und droht.

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Man macht sich also als Aufklärer viele Feinde, braucht Mut – erst in der eigenen Redaktion, dann bei der Recherche und wieder bei der Veröffentlichung. Ein weiterer Spannungswiderhaken ist, dass die Zeitung schon Jahre zuvor die ihr zugespielte Geschichte aus Feigheit nicht angegangen war. Die unerhörte Frage: „Sie wollen wirklich die katholische Kirche verklagen?“

Regisseur Thomas McCarthy hat für diese wichtige, wahre Geschichte, die sich beim „Boston Globe“ vor fast 15 Jahren zugetragen hat, große Schauspieler gewinnen können – von Mark Ruffalo, Michael Keaton (als alter Recherche-Haudegen), Rachel McAdams bis Liev Schreiber (als Chefredakteur) und Stanley Tucci (Investigativ-Chef). Ein Schockaspekt ist, dass das Ausmaß der Verbrechen immer monströser wird, je mehr man bohrt. Am Ende ist klar, dass die katholische Kirche immer mehr wusste, als sie zugab. In einer Schlüsselszene findet das Journalistenteam heraus, dass es ein System gab, Priester, die in Missbrauchsfälle verwickelt waren, nicht zu isolieren, sondern schnell zu versetzen – an andere Posten in der Jugendarbeit!

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Wenn man auf die aktuellen Fälle bei den Regensburger Domspatzen schaut, gibt „Spotlight“ eine erhellende Analyse, warum Aufklärung so wichtig ist, vor allem für die psychische Befreiung der Opfer. Dass genau diese Aufklärung so schwer ist, liegt an der Mitwisserschaft – und damit Mitschuld, die bis ins päpstliche Umfeld führt.

Dabei stellt sich die katholische Kirche bei aller neuen Offenheit zur Aufklärung eine Frage nie: Ob es nicht doch genau an der verkorksten Sexualmoral, der Unantastbarkeit der Kirche liegt, also an der Struktur der Institution katholische Kirche selbst, dass diese Missbrauchsverbrechen und Vertuschungsskandale in diesem Umfang so massiv passieren können.    


Kino: Cadillac, Leopold Kinos, Mathäser, Monopol, B&R: Tom McCarthy (USA, 120 Minuten )

 

 

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