Sommer der Erinnerung

In den „Nachtzug nach Lissabon“ sollten nur Freunde von gefälliger, glatter Unterhaltung einsteigen
Florian Koch |
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In den „Nachtzug nach Lissabon“ sollten nur Freunde von gefälliger, glatter Unterhaltung einsteigen.

MÜNCHEN - Eine pianolastige Musik, die sanft jede Szene umspült und unsere Emotionen lenkt. Ein Licht, das so strahlend und klar wirkt wie in einem Werbeclip. Und austauschbare deutschsprachige Schauspieler ohne Ecken und Kanten, die so tun, als wären sie Schweden oder Engländer. So kennt man die öffentlich-rechtliche Lindström- oder Pilcher-TV-Berieselung am Sonntagabend.

Dumm nur, wenn all diese Elemente auf einem etwas höheren Level auch einen Kinofilm kennzeichnen, der sich als anspruchsvolle Bestsellerverfilmung versteht. Bille Augusts („Das Geisterhaus“) Adaption von „Nachtzug nach Lissabon“ wurde nach der Berlinale-Premiere bös’ verrissen, weil sie Pascal Merciers sprachgewaltige Vorlage zur stark gerafften, gediegen vor sich hin plätschernden KitschUnterhaltung degradiert. Fans des mehr als zwei Millionen Mal verkauften Bestsellers werden sich im Film dennoch wiederfinden, weil die Grundstruktur des Romans beibehalten wurde und aus dem Off ausgiebig zitiert wird. Nur entfalten Sätze wie „Wenn wir zu uns selbst reisen, müssen wir uns unserer Einsamkeit stellen“ in der August-Simplifizierung nicht die Wucht und Tiefe wie im Buch.

Wenig nachvollziehbar bleibt – trotz eines überzeugend zerknitterten Jeremy Irons – auch die Entwicklung der Hauptfigur, dem Schweizer Gymnasiallehrer Raimund Gregorius. Der „Mann aus sprödestem Pergament“ wandelt sich bei Mercier zum wissbegierigen, einen Neuanfang wagenden Menschen. Bei August fällt ihm die Rolle eines verschnarchten Hobbydetektivs zu, der in Lissabon von Tür zu Tür schleicht, um hinter das Geheimnis von Amadeo de Prado zu kommen. Kaum zu verstehen ist auch, warum ihn die Lebensgeschichte des tragisch verstorbenen Arztes so stark gefesselt hat, dass er sein gut situiertes Berner Pädagogen-Dasein aufgibt.

Eine weise Entscheidung war es immerhin, „Nachtzug nach Lissabon“ hauptsächlich in der synchronisierten Fassung aufzuführen. So entgeht dem Publikum das teilweise groteske Portugiesisch-Akzent-Englisch, das fehlbesetzte Stars wie Bruno Ganz oder August Diehl im Original sprechen. 

Kino: ABC, CinemaxX, City, Mathäser, Rio, Sendlinger Tor, Solln, Studio Isabella (OmU) Cinema (OV) R: Bille August (D, Por, 111 Min.)

 

 

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