So ist Lars von Triers "Nymphomaniac Vol. 1"

Der Skandal-Regisseur liefert keinen Porno, sondern einen intelligen Diskurs über Liebe, Religion und Tod
Florian Koch |
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Der Skandal-Regisseur liefert keinen Porno, sondern einen intelligen Diskurs über Liebe, Religion und Tod

Lars von Triers ungeschnittene Fassung seines angeblichen Möchtegern-Pornos „Nymphomaniac Vol. 1“ war heiß erwartet worden. Wer allerdings dachte, dass seine dreißig Minuten längere Version mehr knallharte Sexszenen enthalten würde, sah sich getäuscht. Nur ganz kurz setzt von Trier Geschlechtsorgane bei der Arbeit bildfüllend in Szene. Das reicht nicht zur Provokation und bedient auch keine Voyeuristen, ist aber für alle Bewunderer des Regisseurs ein weiteres gefundenes Fressen. Charlotte Gainsbourg scheint masochistisch genug, um sich nach „Antichrist“ und „Melancholia“ ein drittes Mal der Radikalität des dänischen Meisterregisseurs auszusetzen.

Sie spielt Joe, die von einem älteren Herrn (Stellan Skarsgard) auf der Straße aufgelesen wird und ihm ihre Lebensgeschichte erzählt. In ihrem Selbsthass und ihrem Leidensdruck ähnelt sie durchaus Maria aus „Kreuzweg“, auch wenn bei ihr Keuschheit das letzte ist, was sie im Sinn hat. Ganz zu Beginn findet von Trier ein schönes Bild, woher ihre Sehnsucht nach Vereinigung, nach Dauer-Lust überhaupt stammt. Die prachtvolle Schönheit eines Sonnuntergangs war Joe nie genug, Liebe für die junge Frau (in Rückblenden gespielt von Stacy Martin) nur eine Form von Lust, gepaart mit Eifersucht und Sex lange nur ein Spiel, das keine Grenzen, dafür aber Opfer (darunter Uma Thurman als gehörnte Ehefrau) kennt.

Wie so oft bei von Trier ist sein Film auch ein philosophischer Diskurs, über Religion, Tod und eben auch die (unerfüllte) Liebe. Skarsgaard bleibt dabei in der Rolle des bildungsbürgerlichen Zuschauers, der vom Fliegenfischen über die Bewandnis einer Kuchengabel bis hin zur Polyphonie Bachs scheinbar alles mit dem Phänomen der Sexsucht zu verbinden weiß. So bleibt von Trier, der wieder der Pressekonferenz fern blieb, sich auch hier seiner Maxime treu, keine Wünsche des Publikums billig zu bedienen. Und das darf auch weiterhin bitte so bleiben.

 

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