„Snowden“: Du musst Dich entscheiden!

Widerstand sollte man nicht nur in Diktaturen leisten: „Snowden“ ist ein Politkrimi von Oliver Stone mit einem wahren Helden und kommt sehr nah an die wahre Geschichte des US-amerikanischen Whistleblowers.
von  Adrian Prechtel
Ed Snowden (Joseph Gordon-Levitt) als amerikanischer Geheimdienstler in Genf, das im Film verdächtig nach München aussieht
Ed Snowden (Joseph Gordon-Levitt) als amerikanischer Geheimdienstler in Genf, das im Film verdächtig nach München aussieht © dpa

Widerstand sollte man nicht nur in Diktaturen leisten: „Snowden“ ist ein Politkrimi von Oliver Stone mit einem wahren Helden und kommt sehr nah an die wahre Geschichte des US-amerikanischen Whistleblowers.

Wer erinnert sich noch? 1987 versuchte noch ein gar nicht so kleiner Teil der westdeutschen Bevölkerung „die Volkszählung“ der Bundesregierung zu verhindern. Heute gibt ein Großteil freiwillig in sozialen Netzwerken noch viel mehr preis als sich ein Orwell erträumt hätte.

Wir können jeden und alles ausspionieren

Eine der Schlüsselszenen in Oliver Stones „Snowden“ zeigt den jungen National-Security-Agency-Mitarbeiter in einem monströsen High-Tech-Bunker auf Hawaii im Einsatz am Rechner. Er begegnet einem netten Nerd-Kollegen, der gerade eine Suchmaschine über unvorstellbare Datenmengen laufen lässt. Snowden (Joseph Gordon-Levitt, der jeden Look-alike-Wettbewerb gewinnen würde) fragt mal so nach: Gibt es dafür einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss? Natürlich nicht! Geht nämlich gar nicht: Denn hier werden nicht mehr gezielt Personen, deren Profil „verdächtig“ scheint, ausspioniert, sondern jeder.

„Und auf welche Medien haben wir da Zugriff?“, fragt der hochbegabte, junge Quereinsteiger. „Auf was Du willst: Computer, Notebooks, Telefon, Facebook, Twitter – einfach alles!“

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"Dieser Film ist so unglaublich wahr"

Der wahrheitsgetreue Trick von Stones Film ist, dass wir den Weg Snowdens vom patriotischen konservativen Nerd, zum Mann des lebensgefährlichen Widerstands mitgehen. So dass am Ende die klassische Frage von der Leinwand in die Zuschauerhälfte gespielt wird: Und warum lässt Du Dir das alles gefallen? Aber Stone ist viel zu elegant, um einen simplen agitatorischen Moralfilm zu drehen. Denn spannend montiert laufen mehrere Gefühls- und Handlungsebenen ab: Die Wandlung vom Saulus zum Paulus, ein Agententhriller mit den Fragen: Wird er zu früh entdeckt? Entkommt er den Häschern, ehe Snowden – untergetaucht in Hong Kong – die Bome des gigantischen illegalen Abhörskandals platzen lassen kann? Dass parallel Snowden auch noch sein Privatleben retten will zu seiner liberalen und – trotz größter Belastungen durch seine Geheimdiensttätigkeit – unglaublich loyalen Freundin (Shailene Woodley), wirkt zwar nach Hollywood aber Snowden selbst hat versichert, als ihm der Film in Moskau gezeigt wurde: „Wenn man meine Geschichte fiktionalisiert, dann ist das hier unglaublich wahr!“. Dazu passt, dass man aus dem Oscar-gekrönten Dokumentarfilm über Snowden, „Citizen Four“, einige Szenen eins zu eins gespielt bei Stone wiederfindet.

Am Ende ist klar: Dass die USA diesem Mann den Pass entzogen haben, er in Moskau festsitzt und eine US-Haftbefehl vorliegt, ist ein Skandal. Dieser Mann hätte die „Medal of Freedom“ verdient. Aber hierfür ist kein US-Präsident in Aussicht.


Kino: Astor Cinemalounge, Atelier, Royal, Leopold, Mathäser (auch OV), City (OmU) sowie Cinema und Museum (OV) R: Oliver Stone (USA/D, 110 Min.)

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