Schwer wiegt die Liebe in Gedanken
Umstritten: Terence Malicks neuer Film und Paul Thomas Andersons „The Master“ in Venedig.
Es gibt Regisseure, die Opfer ihrer Aura sind: Terrence Malick zum Beispiel. Auf Weltpremieren erscheint er nicht, wie in Cannes zu seinem Esoterik-Epos „The Tree of Life“. Er gibt keine Interviews und lässt sich oft unheimlich viel Zeit für seine Projekte, auch wenn diesmal „To The Wonder“ schnell entstand, als intensiv assoziativ hingeworfener Film. Über ihn entlud sich ein Applaus- und Buh-Gewitter am Lido. Und wirklich: Entweder gehen das bedeutungsschwangere, sich in die Natur Strecken und Räkeln einer evahaften Frau, die Schwere der klassischen Musik und die ständigen Liebes-Schicksals-Reflexionen aus dem Off einem auf die Nerven.
Oder: Man lässt sich auf das Pathos und die allzu große Lebensfrage ein, wie Liebe funktioniert. Dann hat man einen großen philosophischen Film gesehen – mit Ben Affleck als amerikanischem Umweltingenieur und seiner Pariser Geliebten, später Frau und am Ende geliebten Ex (Olga Kurylenko). Wenn man sich also in den naturbeseelten Bilderstrom der Frage nach Liebe, Begehren und Dauer begibt und noch analytisch hinschaut, merkt man, wie feinsinnig assoziativ der Film gestaltet ist, indem er die Gegensätze Europa-USA als Kulturlandschaft gegen reine Natur mit Zivilisationsnarben verhandelt, wie er die klassische Musik gegen Bison- und Mustangherden setzt, Gotik und Versailles gegen die Prärie, Paris gegen den Mittleren Westen.
Nachdenken, statt konsumieren
Vor diesen aufgeladenen Spannungs-Bildern verhandelt ein Liebespaar die Fragen von Freiheit und Sex, Form und Geboten, mit Javier Bardém als von der Liebe abgeschnittenen hispanischen Priester, der zu den Armen geht, die ihm aber – wie alles in den USA – fremd bleiben. Je länger man also über diesen Film nachdenkt, anstatt ihn nur zu konsumieren, desto fantastischer funktioniert er – auch als Selbstbefragung.
Schon am Samstag hatte ein US-Wettbewerbsbeitrag für Wirbel gesorgt: „The Master" von Paul Thomas Anderson mit Joaquin Phoenix als nervenzerriebenem Pazifik-Kriegs-Veteran – eine tickende Zeitbombe, und er gerät in die merkwürdige Freundschaft mit einem Abenteurer und Gesellschaftssegler, der ihn rettet, stützt und doch als Versuchskaninchen seiner Psycho-Methoden missbraucht: wunderbar größenwahnsinnig, lebenshungrig, jovial, dann wieder ins Herrische kippend gespielt von Philip Seymour Hoffman. Aber viele Zuschauer akzeptierten nicht, dass man der Gründung der Scientology Church zuschauen konnte, ohne dass sie in ihrer späteren Furchtbarkeit vorkam. Nur die Anfänge der grausamen persönlichkeitszersetzenden Versklavung bei gleichzeitigem Befreiungs-Versprechen blitzten gefährlich auf. Das war Weltverbesserern zu wenig Zeigefinger! Aber das genau ist ja letztlich immer eine Stärke.
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