Rührend französisch
Es beginnt wie ein schönes Klischee: An der Schwelle zum Erwachsensein saust Paula mit dem Fahrrad die Landstraße entlang zum Schulbus, hört mit Kopfhörern Musik.
Und weil sie auf dem Land lebt, hilft sie im Stall und verkauft am Samstag mit Eltern und Bruder das, was sie so herstellen auf dem Bauernmarkt in der Kleinstadt.
Bis jetzt könnte dies ein französischer Rosenmüller-Film sein: in der besten Gegend, in der besten Zeit des Lebens, wo sich die besten Chancen ergeben. Und bald merkt man: dieses Mädchen hat noch viel mehr drauf, ist schon wie eine Erwachsene, wie sie mit den Großhändlern um die Futterpreise feilscht oder die Bank wegen eines Kredits ein wenig hinhält. Denn Paulas Eltern und ihr Bruder sind taubstumm. Die Phase „meine Eltern sind peinlich“ oder „ich ziehe mich vermotzt zurück“, kann sich Paula (Louane Emera) in ihrer Verantwortung für die Familie gar nicht leisten.
Die erste Lieber der Tochter? kein Problem. Aber sie singt!
Aber im Gegensatz zur Erfolgskomödie „Ziemlich beste Freunde“ ist hier schon der Ausgangspunkt nicht tragisch. Denn Vater (Francois Damiens) und Mutter (Karin Viard) führen eine aktives, fröhliches und – wie es sich für eine französische Komödie gehört – auch ein lautstarkes Sexualleben (was sie aber natürlich selbst nicht hören).
Was dann passiert ist der klassische Generationskonflikt: Nicht, dass die Tochter ihre erste Liebe entdeckt. Denn da hatten die Eltern eher Angst, die Tochter würde vor lauter Schule und Arbeit das Lieben nicht lernen. Aber die Tochter hat ein Talent: Sie kann singen. Das entdeckt der ambitionierte, aber in der Provinz versackte, Musiklehrer (Eric Elmosino), was ihn aus seiner Midlife-Crisis reißt. Und so ergibt sich die Chance für Paula, die geschützte Welt hinter sich zu lassen: Nach Paris!
Diese natürliche Emanzipationsgeschichte wird durch die besondere Konstellation noch emotionaler: Denn genau die Stimme der Tochter bleibt den Eltern ja verschlossen. „Je vole – Ich fliege weg“, Paulas Bewerbungssong, ist in Frankreich zum Tophit geworden, auch weil Louane Emera bekannt war aus der französischen Version von DSDS, bevor sie jetzt in „Verstehen Sie die Béliers?“ ihre erste Filmrolle spielte.
Der Musiklehrer lässt die Teenies obszöne Lieder singen
Regisseur Eric Lartigau hat alles eingebaut: wie die kauzig-sympathische Provinzfamilie, die wie aus dem gallischen Comic-Dorf entsprungen scheint. Es gibt die Provinzposse mit dem Sprüche klopfendem, eitlem Bürgermeister, der in Paulas Vater plötzlich einen bizarren Gegenkandidaten bekommt. Oder die französische Liebe zum Chanson, die der Musiklehrer mit der 70er-Ikone Michel Sardou provokant zelebriert. Dabei lässt er die Teenies dessen obszöne Liebessongs singen, was lässig libertinär französisch ist und sich eine biedere deutsche Familien-Komödie nicht erlauben würde. Aber der Humor von „Verstehen Sie die Béliers?“ bleibt letztlich immer sanft und leicht. Am Ende braucht man vor Rührung über die Familienwerte ein Taschentuch.
Kleine Schwächen erlaubt sich der Film: Manches wird angespielt und nicht zu Ende geführt, wie die Teenieliebe oder die Bürgermeisterwahl. Und der Film holpert ein wenig ins Grande Emotions-Finale. Aber das macht nichts!
Kino: Sendlinger Tor, Rio, ABC, Solln, Cinemaxx und Theatiner (OmU) R: Eric Lartigau (F, 106 Min.)
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