"Nomadland" im Kino: Die gefährdete Freiheit
München - Man könnte die klagenden und doch kraftvollen Zeilen in sich anklingen lassen, sozusagen als inoffiziellen Soundtrack des Films "Nomadland". Der Song besang die Freiheit des Augenblicks, des Streunens durch die USA.
"Nomadland" ist tragimelancholisch, aber nie düster
Es ist 1970 und die Sängerin ist 27 Jahre: Janis Joplin, die mit dem Kris Kristofferson Song "Me and Bobby McGee" die programmatische Zeile "Freedom is just another word for nothing left to lose" zum Lebensgefühls-Hit machte.
Heute, 50 Jahre später, ist diese ohnehin zweifelhafte Form der Freiheit, wenn man nichts mehr zu verlieren hat, eine völlig andere - wie man in dem herb-schönen, tragimelancholischen, aber nie düsteren Film der chinesisch-amerikanischen Regisseurin Chloé Zhao erleben kann.
"Nomadland": Anklage gegen das unsoziale US-Wirtschaftssystem
Frances McDormand spielt darin die 60-jährige Witwe Fern, die nach dem wirtschaftlichen Niedergang ihrer Kleinstadt in Nevada ihre Sachen in einen Kleinbus packt und fortan ohne festen Wohnsitz lebt: frei, aber eben doch extrem prekär, was den Film auch zu einer Anklage gegen das extrem unsoziale Wirtschaftssystem der USA macht.
Und so beginnt der Film auch, als Fern das Werksfamilienhaus im Wüstenstädtchen Empire ausräumt, dessen Mietvertrag mit dem Schließen der arbeitsgebenden Gipsmine endet. Außerdem kann sich Fern nach dem Tod ihres Mannes auch keine neue Wohnung mehr leisten.
"Nomadland" macht daraus aber keine politisch-didaktische Sozialgeschichte, sondern ein konsequentes, manchmal sogar das Romantische streifende Roadmovie, das hintergründig auch die Fragen nach Heimat und Bürgerlichkeit aufwirft, so wenn es auf Thanksgiving, Weihnachten und Silvester zugeht, aber Fern andere Formen der Gemeinschaft sucht und findet als in einem familiären Rahmen. Und wenn Fern die Chancen auf eine neue Bindung und ein neues Zuhause letztlich doch vermeidet, dann ist dies eben nicht nur der Entwurzelung geschuldet, zu der die ökonomisch harte Gesellschaft sie zwingt, sondern eben auch ihrem freiheitsliebenden Charakter.
Wie Chloé Zhao "Nomadland" noch glaubwürdiger macht
Frances McDormand hat den Oscar als beste Darstellerin erhalten, weil es große Kunst ist, einen Charakter in der Schwebe zu halten zwischen Kraft, Herbheit und Sensibilität. Regisseurin Chloé Zhao hat geschickt für viele Rollen Menschen sich selber an Originalorten spielen lassen, womit sich "Nomadland" noch glaubwürdiger anfühlt.
Fern lebt von Gelegenheitsjobs - arbeitet als Toilettenfrau oder Packerin im Amazonlager. Wie gefährdet aber eine solche Existenz bleibt, zeigt sich, als ihr alter Van plötzlich eine Reparatur braucht oder das Geld nicht einmal mehr für Hundefutter reicht.
Kino: Solln, Rex, Royal sowie Leopold, Cadillac, Maxim und City (auch OmU), Monopol und Isabella (OmU) und Museum (OV)
R: Chloé Zhao, nach dem Buch "Nomaden der Arbeit: Überleben in den USA im 21. Jahrhundert" (USA, 108 Minuten)
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