Neufassung von "Justice League": Requiem für Superhelden

Kurz scheint die Zeit still zu stehen, als der König der DC-Comic-Helden vom Tod ins Leben zurückfindet. Die quälend lange, für alle Beteiligten lebensbedrohliche Auferstehung von Superman.
Ein fast vierstündiges Epos
Sie steht im Zentrum von "Zack Snyder's Justice League", ein fast vierstündiges, aber fesselndes Epos, dessen Entstehungsgeschichte ebenfalls einer surrealen Wiedergeburt ähnelt. Das Drama nahm vor über vier Jahren seinen Lauf, als das Filmstudio Warner endlich der Marvel-Comic-Konkurrenz die Stirn bieten wollte: mit der "Justice League", einem Ensemble der populärsten DC-Helden wie Batman (Ben Affleck), Superman (Henry Cavill), Wonder Woman (Gal Gadot), Aquaman (Jason Momoa), The Flash (Ezra Miller) und Cyborg (Ray Fisher).
Schwere von Snyder und albern Leichtigkeit von Whedon vertrugen sich nicht
Als Regisseur einigte man sich schnell auf den visuell beschlagenen, aber eigensinnigen Zack Snyder ("300" "Watchmen"), der bereits den Blockbuster "Batman v Superman: Dawn of Justice" inszeniert hatte. Schon hier kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Snyder und den Warner-Chefs. War den Funktionären der Zweikampf der Comic-Stars doch zu düster, der finale Tod von Superman viel zu fatalistisch. Aber der Dreh von "Justice League" übertraf dann noch einmal viele Horrorszenarien: mit Streitereien über Lauflängen, über den tragischen Suizid von Zack Snyders Tochter während der Produktion bis hin zum hastig für Nachdrehs verpflichteten Regisseur Joss Whedon ("The Avengers"). Mit dem Ergebnis des 300 Millionen Dollar teuren Möchtegern-Superhits war am Ende niemand zufrieden. Die in Pathos getränkte Schwere von Snyder und die alberne Leichtigkeit von Whedon vertrugen sich in dieser - auf zwei Stunden eingedampften - Kinofassung einfach nicht.
Die Reaktion: eine wütende Petition
Daraufhin wurde die wütende Comic-Gemeinde aktiv und forderte in der von 170.000 Fans unterschriebenen Petition "Release the Snyder Cut" eine Neufassung. Der geschmeichelte Regisseur machte ebenfalls Stimmung und konnte sich schließlich durchsetzen: mit einem doppelt so langen Director's Cut und frischer Bombast-Musik (Junkie XL), mit aufpolierten Effekten und neuen Szenen, darunter die Einführung des Oberbösewichts Darkseid und ein alptraumhafter Kurzauftritt von Jared Leto als Joker. Das Filmstudio Warner handelte dabei nicht uneigennützig. Denn einerseits konnten Fans besänftigt und andererseits die eigene neue Streamingplattform HBO Max beworben werden. Und quasi nebenbei entledigte man sich auch noch Joss Whedons, dem Machtmissbrauch und "toxische Arbeitsbedingungen" vorgeworfen werden.
Hat sich die 70 Millionen Dollar teure Frischzellenkur gelohnt?
Für die Fans am wichtigsten ist aber die Tatsache, dass sich die 70 Millionen Dollar teure Frischzellenkur gelohnt hat. Dabei hat sich an der Handlung kaum was geändert. Der Tod von Superman schwebt immer noch wie eine düstere Wolke über seinem einstigen, in Lethargie verfallenen Alphamann-Kontrahenten Batman. Als aber das Böse in Person des außerirdischen Dämons Steppenwolf, ein riesiger Stier mit schimmerndem Panzer, auf die Erde kommt, um der verkommenen Menschheit mit Hilfe von magischen Boxen den freien Willen zu nehmen, wird die bekannteste Fledermaus aktiv.
Eine Heldenreise im Stil von "Herr der Ringe"
Fast zwei Stunden braucht es, bis Batman endlich sein Team rekrutieren kann. Doch die Zeit, die sich Snyder dafür nimmt, ist keine Verlorene. Weniger bekannte Charaktere wie der blitzartig schnelle, sympathisch jungenhafte Flash oder die mit einem Vaterkomplex ringende Mensch/Maschine Cyborg bekommen so Tiefe. Überhaupt orientiert sich Snyder in seiner visuell überwältigenden, aber stets ernsten Heldenreise am Stil von Peter Jacksons "Herr der Ringe". Seine Idee, die Comicfiguren nicht zu vermenschlichen, sondern sie gottgleich wie in einer Hyperrealität zu überhöhen, mag nicht jedem gefallen und manche bedeutungsschwangere Sätze ("Du lebst in der Vergangenheit! Schaff dir deine eigene Zukunft!") sogar abschrecken. Dennoch erschafft Snyder hier sein eigenes Comic-Universum, das bis zur messianischen Wiedergeburt von Superman bis ins Detail geschlossen wirkt. Und damit erfüllt der viel gescholtene Regisseur auch denen einen Wunsch, die in Hollywood gerne übersehen werden: wahren Comic-Fans.
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