Neu im Kino und der AZ-Filmkritik: "Isle of Dogs – Ataris Reise"
Kein Hund würde wohl je so weit gehen wie die Menschen in diesem Film: Um ein Grippeproblem zu lösen, verbannen sie alle Hunde auf eine Müllinsel. Als niedlicher Puppentrickfilm verkleidet, als irrwitziges Abenteuer und als Liebeserklärung an die japanische Kultur und von Hunden an ihre Herrchen ist "Isle of Dogs – Ataris Reise", der zweite Puppentrickfilm von Wes Anderson, auch eine Allegorie des Zeitgeistes. Mit kindischer Freude verbreitet der Filmemacher politische Botschaften.
Propaganda, Fake News, Umweltkatastrophen, Korruption, ein totalitäres Regime, Ausgestoßene und Abschiebelager: Auf der Insel der Hunde gibt es nichts, was es nicht auch zwischen Washington und Moskau, zwischen Ankara und Brüssel, zwischen Libyen und Lampedusa gibt. Trotzdem wird Anderson auch nach "Isle of Dogs" nicht als politischer Regisseur in die Kinogeschichte eingehen. Dafür sind seine Metaphern über den Zustand einer Welt voller Ängste etwas zu unbeholfen.
"Isle of Dogs – Ataris Reise": bereits der zweite Puppentrickfilm von Wes Anderson
Aber erstens geht es dem Fantasten Anderson, der das Drehbuch zusammen mit seinen Stammschreibern Roman Coppola und Jason Schwartzman verfasste, auch gar nicht um die politischen Statements. Und zweitens entschädigen der visuelle Einfallsreichtum und der kauzige Humor für jegliche Simplifizierung.
Mit ruppig-schöner Animation erzählt Anderson eine retro-futuristische Hundefabel. Der Bürgermeister des japanischen Molochs verbannt die Hunde unter dem Vorwand, eine fiese Hundegrippe könnte sich auf die Menschen übertragen. Weil Desinformationen gerne Massenhysterien auslösen, finden sich die Köter alsbald auf Trash Island wieder, wo sie entweder verrückt werden, wehleidig oder gewalttätig. Sie prügeln sich um Essensreste und versuchen irgendwie, ihre letzten Tage zu überstehen.
Scarlett Johansson verkörpert Tracy, die Anführerin im Komplott gegen den Bürgermeister
Bis Atari auf der Insel abstürzt: Der zwölfjährige Junge, ein entfernter Verwandter des Bürgermeisters, vermisst seinen Hund Spots. Rex, King, Duke und Boss und Chief, eine Gang aus fünf Alpha-Dogs, helfen dem Jungen. Der sorgt sich als einer der letzten verbliebenen Aufrechten um die Hunde. Die anderen sind Journalisten einer Schülerzeitung: Angeführt von der US-Austauschschülerin Tracy (Scarlett Johansson) decken sie des Bürgermeisters Komplott auf.
Wes Anderson erfindet sich nicht neu mit "Isle of Dogs". Und er geht erzählerisch wieder viele Umwege, auf denen man sich verlieren kann. Auch das kennt man aus seinem Werk: die Splitscreens, die Zeitsprünge, die Ausflüge auf Nebenschauplätze. Manch einer mag sich daran sattgesehen haben, und manch anderer mag bemängeln, dass Anderson nichts Neues einfällt und dass der Silberne Bär für die beste Regie auf der Berlinale zu viel des Guten war. Aber: Der Mann hat eine unverwechselbare Handschrift und braucht die Sicherheit seines gewohnten künstlerischen Gerüstes, um sich austoben zu können.
R: Wes Anderson (USA, 102 Min.) Kinos: Cinema, Monopol, Museum-Lichtspiele
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