Neu im Kino: "Suburbico" in der AZ-Filmkritik
Wenn uns in unseren unsicheren Zeiten die 50er-Jahre als stabile Idylle mit sicheren Wohlstandsversprechen vorkommen, dann haben wir vielleicht nur nicht genau genug zurückgeschaut.
"Suburbicon" ist George Clooneys Verfilmung eines Drehbuchs der befreundeten Coen-Brüder. Sie spielt in einer amerikanischen Vorzeige-Vorstadt, deren Immobilien in Werbeprospekten mit weißem Meister-Proper-Lächeln angeboten werden. Aber Matt Damon wird als dämonischer Spießer am Ende ungewollt alle Fassaden zum Einsturz bringen.
Clooney erzählt die Geschichte eines Familienvaters, der eigentlich die Zwillingsschwester seiner Frau liebt. Seine Gattin hat er selbst bei einem Autounfall schuldhaft in den Rollstuhl gebracht. Beide Frauen– resigniert das Opfer, eiskalt und naiv die neue Vorzeigefrau – werden von Julianne Moore karikierend, radikal und doch glaubwürdig verkörpert.
Trump hat Clooney bei "Suburbicon" beeinflusst
Im Angesicht des Trump-Triumphzuges versetzte Clooney die ursprünglich zeitlose Familiengeschichte in die 50er Jahre. So gewinnt der Film den scheinbar noch ungebrochenen amerikanischen Nachkriegstraum als Kontrasthintergrund. Hinter der Vordergründigkeit von Anstand und Familienwerten lauern Abgründe, Schuld und Schulden: von SM-Spielen im Keller, Alkohol- und Tablettensucht als Ventil bis zum Befreiungsmord mit Versicherungsbetrug.
Denn ein Motor der zunehmend makaberen Katastrophen ist Matt Damons Versuch, als Buchhalter einer erfolgreichen Werbefirma dem persönlichen und amerikanischen Traum mit schwerstkriminellen privaten Taten auf die Sprünge zu helfen.
Aufgeschreckt vom wieder hemmungsloser hervorbrechenden Rassismus der Trump-Zeit hat Clooney beschlossen, noch eine zusätzliche Geschichte einzuweben: die der netten Mittelklasse-Nachbarsfamilie Meyers, die sich beim Einzug als schwarz herausstellt und sofort zum Projektionsfeld bürgerlicher Ängste wird: Kriminalität, Unordnung und unterschwellige, uneingestandene sexuelle Attraktion. Denn Mrs. Meyers (Karimah Westbrook) sieht blendend aus. Am Ende ist der dreckige, die Nachbarschaft ethnisch säubern wollende Mob nicht mehr zu stoppen.
Weil also auch die aktuellen Zeiten nicht besonders witzig sind, vollzieht sich das Krimi-Drama zwar in der gewohnt leicht splatterhaften, amüsanten Eskalationsmechanik der Coen-Brüder. Aber das Groteske ist gewollterweise nicht wirklich komisch. So ist eine beißend spannende Satire entstanden, die viel über unsere Gegenwart erzählt. Aber einen vollkommen unzynischen Lichtblick gibt es auch: Der 12-jährige weiße Sohn entkommt dem Inferno und hat bereits Freundschaft geschlossen – mit dem Nachbarsjungen, dem schwarzen Meyers-Sohn.
Kino: Gabriel, Leoplod, Royal, Mathäser, Monopol sowie Isabella und Atelier (auch OmU) und Cinema (OV)
Regie: George Clooney (USA, 105 Min)
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