Neu im Kino: "Simpel" in der AZ-Filmkritik

Markus Goller adaptiert gekonnt den Jugendroman "Simpel" von Marie-Aude Murail.
Margret Köhler |
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Simpel (David Kross) setzt bei dem Versuch, einem Fernsehkoch nachzueifern, Arias Küche in Brand.
2017 Gordon Timpen / Universum Film Simpel (David Kross) setzt bei dem Versuch, einem Fernsehkoch nachzueifern, Arias Küche in Brand.

Schon wieder muss Ben (Frederick Lau) seinen nur leicht bekleideten Bruder (David Kross) mit Papierkrone auf dem Kopf aus dem Watt holen, kann ihm aber nicht böse sein. Barnabas, nur "Simpel" genannt, ist 22 und geistig auf dem Stand eines Kleinkindes, ein Mensch ohne jegliche Filter, der nicht gefallen will und ziemlich anstrengend ist, ganz im Hier und Jetzt lebt.

Schon immer hat sich der Ältere fürsorglich um den Jüngeren gekümmert, seine eigenen Wünsche zurückgestellt. Als ihre Mutter plötzlich stirbt, soll Simpel in ein Heim kommen. Nur der Rabenvater (Devid Striesow), der die Familie verlassen hat und in Hamburg wohnt, könnte mit seiner Unterschrift den Beschluss rückgängig machen.

Was liegt näher, ohne eine Adresse in die Hansestadt zu fahren, ausgerechnet mit einem geklauten Polizeiauto? Eine Odyssee, die es in sich hat. Markus Goller ("Friendship") zeigt ein Händchen für das seltsame Gespann, das mit Hilfe der netten Sanitäterin Aria (Emilia Schüle) und ihrem Kollegen ihr Ziel erreicht, die sich später noch als Freunde in der Not beweisen.

Gute Laune trotz dramatischer Wendungen

Behinderung und naive Reaktionen auf die Wirklichkeit sind bei Goller Fakt, aber weder glorifiziert er das Verhalten des Jungen, noch macht er sich darüber lustig, behandelt die Figur mit Respekt. Auch wenn es urkomisch ist, wenn Simpel mit Federboa und Glitzertop im Puff mit Prostituierte Verstecken spielt, in freier Natur im Stehen zu pinkeln lernt oder fast Arias Wohnung beim Kochversuch abfackelt. Immer dabei sein geliebtes Knuddeltier Monsieur Hasehase.

Die freie Adaption des Romans der Französin Marie-Aude Murail (Deutscher Jugendliteraturpreis 2008), macht trotz dramatischer Wendungen gute Laune. Die überhaupt nicht simple Handlung spielt statt in Paris in Deutschlands Norden, ohne dass die Kernaussage verlorengeht, der typisch französische Humor wird ersetzt durch eine sensible deutsche Variante.

Im Gegensatz zum Buch stehen die beiden ungleichen Brüder im Mittelpunkt. Das klappt wunderbar. Auch weil David Kross als fröhlicher Simpel mit tapsiger Körpersprache und Frederick Lau als geduldiges Bruderherz sich optimal ergänzen. Emilia Schüle komplettiert das Duo als junge Großstädterin mit harter Schale und weichem Kern, eine Lovestory mit dem spröden Ben lässt sich ahnen. Trotz anrührender Szenen driftet das Roadmovie nie in falsche Sentimentalität ab. Und streichelt am Ende ganz sanft die Seele mit der Botschaft: Gemeinsam verschieden sein.


Kino: Cinemaxx, Sendlinger Tor, Monopol, Rex, Rio
Regie: Markus Goller (D, 113 Min., ab 6 Jahren)

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