Nach Freispruch: Kevin Spacey zurück auf dem roten Teppich in Venedig

Audio von Carbonatix
Seit zwei Jahren ist er in allen Punkten juristisch freigesprochen. Doch seine Karriere ist nicht unterbrochen, sondern scheint seit den Vorwürfen sexueller Nötigungen 2017 zerstört, auch wenn er am Rand der Filmfestspielen in Cannes gerade von einer Stiftung einen Lebenswerk-Preis bekimmen hat. Am Lido war Kevin Spacey nun auf dem Roten Teppich zu sehen: nicht als skrupelloser Politiker aus "House of Cards“, sondern um seinen Kollegen Jude Law als Putin oder Paul Dano als dessen Berater in "Der Magier im Kreml“ zu sehen.
Spacey selbst war prominenter Teil der Gala des Filming Italy Venice Award am Lido. Auch bei der American Foundation for Aids Research im Arsenale war er Blickfang. Und man wird sehen, ob Cannes und Venedig genügend Leuchtfeuer entfalten, um Spacey wieder als Schauspieler ins Spiel zu bringen, was viele wegen der Macht der Shitstorms in Hollywood verneinen.

Dwayne Johnson – selbst ehemaliger Wrestler und längst Filmsuperstar – spielt in "The Smashing Machine“ einen Kollegen: Mark Kerr, über dessen Ringer- und Martial-Arts-Karriere, Schmerzmittelsucht und Ausstieg 2002 ein Dokumentarfilm gedreht worden war - mit einem Titel, der schockieren sollte: "The Smashing Machine“. Denn hierin scheint jegliche Menschlichkeit ausgetrieben, was der Dokumentarfilm natürlich genau anders gezeigt hat.
In die Magengrube
Und jetzt - hier am Lido ist unter dem selben Titel der Spielfilm von Regisseur Benny Safdie zu sehen, der genau das selbe versucht: Den Menschen und das Menschliche hinter einem Star des sogenannten Sports zu zeigen, bei dem sich zwei Männer – mehr oder weniger gefakt, aber nichtsdestotrotz sehr blutig und knochenbrecherisch in die Fresse und Magengrube hauen.
Das ist auch durchaus gelungen, und mit Emily Blunt als Lebensgefährtin von diesem Mark Kerr gibt es auch noch den Raum für die große Frage, ob Partner in einer Künstler- oder Sportlerkarriere, die Fokus braucht, stabilisieren und helfen oder – mit ihren eignen Bedürfnissen nach Nähe, Aufmerksamkeit und hier Kinderwunsch - ablenken und alles zum Absturz bringen.

Der Film ist hier ausgewogen und fair, die Kampfszenen irritierend physisch. Aber dann kommt einem - vor allem hier am Lido – doch noch ein anderer Film von Darren Aronofsky in den Sinn: "The Wrestler“ von 2008, der Mickey Rourke ein kurzes Comeback bescherte und den Goldenen Löwen gewann. Hier aber war alles gelungen: Wiederaufstieg und Fall, persönliche Tragik und harter Kampf. Man hatte ein gigantisches, physisches und psychisches Drama gesehen, das fast alle zu Tränen rührte.
Drauf einen Campari
Genau das schafft "The Smashing Machine“ nicht, sondern bleibt zu brav, reizt die Themen Männerfreundschaft und Rivalität, Partnerschaft und Karriere nicht frech genug aus, so dass man sich am Ende - wie der Film - wie bei einem entspannten samstäglichen Familieneinkauf im Supermarkt fühlt.

So dass man sich schon auf Gus Van Sants "Dead Man’s Wire“ freut, der außerhalb des Wettbewerbs die Geschichte einer Entführung eines Bankers von 1977 erzählt, die ein Racheakt an dem Kreditausbeuter sein sollte. Darauf einen richtig roten Campari. Denn Gus Van Sant bekommt am Lido den Premio Campari Passion for Film Award und wird hoffentlich nicht am Roten Teppich schwanken.