„Meine Zeit mit Cézanne“: Kunst oder Leben?

Danièle Thompson erzählt die schwierige Freundschaft zwischen Émile Zola und Paul Cézanne - und schwelgt in provenzalischer Sinnlichkeit.
Ungezwungen im Fluss baden, Hasen jagen und bis tief in die Nacht fabulieren – junge Kerle schweißt das zusammen. Und man fragt sich unwillkürlich, was aus Émile und Paul geworden wäre, wenn sich die beiden Sonderlinge nicht schon auf der Schule getroffen hätten. Der eine lebte seit dem frühen Tod des Vaters mit der Mutter in ärmlichsten Verhältnissen und strebte nach oben, der andere rebellierte gegen sämtliche Erwartungen seiner neureichen Bankiersfamilie. Doch Freundschaften können beflügeln oder zum ewigen Stachel werden. Bei Émile Zola und Paul Cézanne kommt beides zusammen. Ihre sehr unterschiedlich verlaufenden Karrieren führen jedenfalls zu beträchtlichen Auseinandersetzungen über die Kunst und das Leben.
Portrait zweier Nationalhelden
Um diesen Konflikt kreist der Film „Meine Zeit mit Cézanne“, für den Regisseurin Danièle Thompson die erste Garde von Frankreichs Schauspielern versammelt hat. Schließlich geht es um zwei Nationalhelden: einen der wichtigsten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, der die Gesellschaft bis hinab in die Gosse porträtiert, und den bedeutendsten Wegbereiter der klassischen Moderne, den Henri Matisse eine „Art lieben Gott der Malerei“ nennt. Die Herren bleiben natürlich auf ihren Sockeln. Allerdings setzt das üppig ausgestattete Zwei-Stunden-Opus 1888, beim „endgültigen“ Zerwürfnis der beiden an, das weder auf den in großbürgerlichem Luxus residierenden Zola (Guillaume Canet), noch auf den an der Grenze zur Verwahrlosung pendelnden Verweigerer Cézanne (Guillaume Gallienne) ein besonders gutes Licht wirft. Zudem hat Zola mit „L’OEuvre“ („Das Werk“) einen Roman veröffentlicht, in dem sich ein erfolgloser Künstler vor seiner Staffelei erhängt und in aller Deutlichkeit auf den alten Freund verweist. Die Attacken des ungleichen Duos haben sich gewaschen und bilden den Rahmen für farbsatte Rückblicke auf eine Jugend in der Provence, für Erinnerungen an Bootspartien und üppige Tafeln, aber genauso an quälende Malsitzungen, die Cézanne als egomanischen Choleriker zeichnen, der eine Leinwand nach der anderen zerstört.
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Dass dann doch mehr als 1000 Gemälde überlebt haben, wird zur Korrektur dieses Eindrucks im Abspann betont. So viel Kunstgeschichte muss sein. Aber es ist ja auch eine harte Prüfung, wenn ausgerechnet der engste Freund nach anfänglichen Mühen immer eleganter an einem vorbeigleitet, um es sich alsbald im bourgeoisen Feindesland bequem zu machen. Dass man anders am Verhungern ist, wenn man um den Reichtum der Familie weiß, wie Zola einmal bitter pariert, kann Cézanne nicht gelten lassen.
Eine keineswegs unglaubwürdige Biografie
Und so drehen sich die beiden Männer im Kreis, reden zeitlebens in Freundschaft aneinander vorbei. Das macht diese frei ausgelegte, doch keineswegs unglaubwürdige Biografie zwischendurch etwas zäh. Gut also, dass die grandiosen Frauen für Raffinesse und die gewissen Feinheiten sorgen. Von Zolas Gattin Alexandrine (Alice Pol), die Cézanne einst als Gabrielle Modell und womöglich für ein bisschen mehr zur Verfügung stand, über die zeitgemäß dezenten und zugleich charaktervollen Mütter der Künstler (Sabine Azéma und Isabelle Candelier) bis zur jungen Geliebten Zolas (Freya Mayor), die dem alternden Romancier doch noch die ersehnten Kinder schenkt. „Meine Zeit mit Cézanne“ ist ein sinnlicher Ausflug in eine aufregende kulturelle Vergangenheit zwischen Paris und der Provence. Man hätte nur gerne ein paar Takte mehr von den Kämpfen um eine neue Kunst erfahren. Denn sie sind ja alle versammelt, Renoir und Pissarro und selbst der souveräne Manet. Dafür sieht man am Ende einen fündig gewordenen Cézanne, der in seiner lichtdurchfluteten Heimat sitzt und die Schönheit der Montagne Sainte-Victoire in ein faszinierendes Bild holt. Diesen entscheidenden letzten Weg ist er ganz ohne den Freund gegangen.
Kinos: ABC, Eldorado und Theatiner-Film (OmU)
Regie: Danièle Thompson (F, 113 Min.)