"Longlegs": Nicolas Cage schockiert als Serienkiller
Natürlich muss man den Horror akzeptieren und aushalten, um diesen Film würdigen zu können. Das Böse, Gefahr: Um Zuschauer nicht einfach zu schocken, sondern nachhaltig zu verängstigen, hilft weniger oft mehr. Man denke nur an die kurzen, aber effektiven Film-Monster-Auftritte in Ridley Scotts erstem "Alien" oder Steven Spielbergs weißem Hai.
Ähnlich konstruiert ist nun "Longlegs", der packende Psychothriller von Oz Perkins. In beängstigenden Trailern wurde bereits das abgrundtief Böse in Form des Psychopathen Longlegs heraufbeschworen - ohne ihn jedoch auch nur einmal zu zeigen.
Das reizvolle Spiel mit dem unheimlichen Nichtwissen wurde durch die Bekanntgabe der Killer-Besetzung noch gesteigert. Nicolas Cage, zuletzt so wandlungsfähig wie kaum ein anderer Hollywood-Star, spielt diesen Psychopathen, der seinen ersten längeren Auftritt erst nach 45 Minuten bekommt. Es ist eine kleine, große Rolle für den Oscarpreisträger.

Mit Fistelstimme, strähnigem grauen Haar und schmierigem Make-up ist Cage hier kaum wiederzuerkennen, er wirkt wie ein heruntergekommener Ozzy Osbourne. Gleichsam lächerlich wie beklemmend gefährlich. Er ist einer der Joker dieses Films.
Seit 30 Jahren soll dieser Longlegs Familienväter so in den Wahnsinn treiben, dass sie sich selbst und ihre Familien umbringen. Am Tatort hinterlässt er einen Brief in kryptisch codierter Sprache. Nur wie man diesem satanischen Mörder endlich auf die Schliche kommt, weiß niemand beim FBI.

In seiner Verzweiflung wendet sich der hilflose Ermittler Carter (Blair Underwood) Mitte der 90er Jahre an die junge, "höchst intuitive" Agentin Lee (Maika Monroe). Die fragile, stets ein wenig abwesende Frau hat ein untrügliches Bauchgefühl für Täterprofile, als würde "mich jemand antippen und ich weiß dann, wo ich hinschauen muss".
In ihrer Hartnäckigkeit und ihrem Hang, alles dem Fall unterzuordnen, ähnelt diese Figur Clarice Starling aus "Das Schweigen der Lämmer". Und auch die schwindende Trennschärfe von Privat- und Berufsleben hat "Longlegs" mit dem Filmklassiker von Jonathan Demme gemein. Dennoch, bei aller Ähnlichkeit, weiß der in den USA überraschend erfolgreiche und als grusligster Film seit Jahren titulierte "Longlegs" atmosphärisch ganz eigene Akzente zu setzen.
Regisseur Oz Perkins - übrigens Sohn des "Psycho"-Schauspielers Anthony Perkins - hat ein erstaunliches Gespür für die furchteinflößende Inszenierung von Räumen und erinnert dabei an David Lynch. In manchen Momenten - wie im erschütternden Prolog - wechselt Perkins auch das Format in Richtung Super 8-Horrorvideo oder changiert auf der Tonspur scharrende atonale Geräusche mit völliger Stille.

Die schleichende Beklemmung, die Perkins in seiner dunkel beobachtenden Regie erzeugt, hat übertriebene Action oder Gewalt gar nicht mehr nötig. Sie ist in ihrer Lust an einer unheilvollen Andeutung auch eine kritischer Kritik am sonst oft zu vordergründigen Horrorgenre.
Kino: City, Leopold, Mathäser (auch OV), Monopol (OmU) sowie City, Arena (OmU) und Cinema, Museum Lichtspiele (beide OV),
R: Oz Perkins (USA, 101 Min.)
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