"Liebesdings": Kampf gegen alles Nicht-Diverse

Egal, was dieser Charmebolzen macht und wen er spielt: Wenn Elyas M'Barek auftaucht, liegen ihm die Fans zu Füßen, geraten vor allem junge Mädel in Verzückung. Grund genug für Regisseurin Anika Decker, dieser nur bedingt lustigen Komödie ihn als Marvin Bosch zu besetzen: den größten Kinostar Deutschlands.
M'Barek muss anfangs dafür nur lächeln und hat das Publikum dennoch ruckzuck auf seiner Seite. Die Harmonie stört eine Boulevardjournalistin, die nicht nur – wie alle anderen – nach seiner Traumfrau fragt, sondern in einer Livesendung in seiner Vergangenheit wühlt. Schockiert rennt er davon, verpasst seine Filmpremiere, landet auf der Flucht vor Fotografen in einem feministischen Off-Theater vor der Pleite und trifft auf Frieda, die Leiterin.
"Liebesdings": Ungewöhnlicher Beginn einer ungewöhnlichen Love-Story
Nach einigen Wortscharmützeln steckt sie "dem Holzkopf mit Penis" die Finger in den Hals, damit er die versehentlich in einer Saftflasche versteckten Drogen auskotzen kann. Der ungewöhnliche Beginn einer ungewöhnlichen Love-Story. Keinohrhasen-Autorin Anika Decker springt auf den Zug der Zeit und lässt das moderne Personal aufmarschieren: Depressive, Feministinnen, Transmenschen, Schwule, Lesben, Muslime und Personen mit Migrantenhintergrund, alle vereint im Kampf gegen Cis-Männer und was sonst nicht zur Community gehört, viele Klischees und viele Karikaturen inklusive. Auch ein schwarzer Comedian darf mal kurz auf die Bühne.
Mittendrin Bosch, der sich aus Angst vor der Presse in einer wandelnden Klitoris versteckt und leicht verdattert tanzenden Tampons zusieht. Hört sich vielleicht komisch an, ist aber extrem bemüht, wie auch die Sexszenen zwischen M'Barek und Lucie Heinze, die mit T-Shirt und Unterwäsche ins Bett steigen, weil die Regisseurin nach Möglichkeit Nacktszenen vermeidet. Leidenschaft sieht anders aus.
Anika Decker will im Mainstreamkino "bunter" und kreativer werden
Promis, die wie Ikarus zu hoch fliegen und sich an der Sonne die Flügel verbrennen und abstürzen, sind keine neue Erfindung, kommen aber immer gut an, dienen sie doch als Sedativum für diejenigen, die nie den Mut hatten, nach den Sternen zu greifen. Das ist Decker aber nicht genug, sie will im Mainstreamkino "bunter" und kreativer werden und scheitert, weil sie zu viel will.
In einem Rundumschlag kriegen Medien und Showbranche sowie die "Geldigen" ihr Fett ab, geht es häppchenweise um Diversität, Freundschaft und Liebe, die Guten und die Bösen. Die Schauspieler retten, was zu retten ist: Alexandra Maria Lara als gemeines Medienbiest, Peri Baumeister als taffe PR-Frau oder Maren Kroymann als bisexuelle Komikerin. Das Potenzial für eine wirkliche Satire ist trotzdem nicht ausgeschöpft.
Kino: Astor im Arri, Cadillac, Rio, Cinemaxx, Gloria, Leopold, Mathäser; R: Anika Decker (D, 99 Min.)