Kritik

Liebe, Sex und Psychose: Jennifer Lawrence und Robert Pattinson in „Die My Love“

Regisseurin Lynne Ramsey verfilmt verstörend und mit explizitem Sex die Geschichte einer entgleitenden Liebe
von  Adrian Prechtel
Ein Raubtier auf der Suche nach Beute und Freiheit: Grace (Jennifer Lawrence) im verwilderten Garten.
Ein Raubtier auf der Suche nach Beute und Freiheit: Grace (Jennifer Lawrence) im verwilderten Garten. © Kimberly French

Jennifer Lawrence - und in diesem Alter, darf man das ohne jeden Zweifel noch aussprechen - ist 35 Jahre. Und die Richtung, wie sie in Hollywoodstar den Übergang vom zu Recht gefeiertem Jungstar der „Tribute von Panem“ zur großen Charakterdarstellerin geschaft hat, ist mittlerweile klar: Radikalität - bis zur Verstörung. In Darren Aronofskys „Mother!“ wehrte sie sich 2017 in einem surrealen Horrorszenario zunehmend rabiat gegen einen ignoranten, wahnsinnigen Eheman (Javier Bardem). Dann spielte sie 2022 eine versehrte US-Soldatin nach ihrem Afghanistaneinsatz („Causeway“) . Und jetzt - mit ihr selbst als Co-Produzentin - ist sie einen Schritt weitergegangen.

In „Die My Love“ hat sie Robert Pattinson zur Seite, der mit seinen 39 Jahren ein ähnliches Phänomen ist: vom Teenie-Vampir-Schwarm aus „Twilight“ bis „Batman“, aber eben auch zum mörderischen Wärter in „Der Leuchtturm“ oder dieses Frühjahr einem geklonten, menschlichen Versuchskaninchen im Sci-Fi „Mickey 17“ von Bong Joon-ho.

Robert Pattinson als überforderter Ehemann.
Robert Pattinson als überforderter Ehemann. © Kimberly French

Dieses Paar schickt die Regisseurin Lynne Ramsay nun auf einen Psychotrip. Es beginnt mit dem Umzug ins Grüne in ein heruntergekommes Haus, das nach Horrorfilm aussieht. Nur dass der Horror hier aus der Lebenssituation des jungen Paars entwickelt wird. Jungsein ist hier mit einem Flower-Power-Gefühl verbunden aus Sex (relativ Explizit), Drugs (um sich trotz Zweisamkeit freier zu fühlen) und voll aufgedrehtem Rock’n’Roll (denn er ist Musiker - sie will ein Buch schreiben).

Aggression nach Sexentzug und eine Depression 

Schnitt: auf der Holzveranda steht eine Wiege. Und das Drama beginnt, das sich auch zuvor chon durch einen etwas zu lebenshungrigen Lebensstil angekündigt hat. Er muss einen Gelderwerbsjob annehmen, sie ist aufs Muttersein zurückgeworfen. 
Und was man gemeinhin als postnatale Depression bezeichnet, wird hier zu einer Psychose. Und wenn man die zunehmende, unheimliche Verantwortungslosigkeit der Mutter beobachtet, ist man froh, dass die Regie hier von einer Frau geführt wurde, weil man dem Film sonst eine frauenfeindliche Haltung unterstellen könnte: zur Mutter unfähig, auf Sexentzug rabiat reagierend, hysterisch aggressiv und gefährlich autoaggressiv, verwahrlosend. Man sieht Lawrence als sexbesessene Paranoide, unter anderem masturbierend oder mit heraushängenden Busen nach dem Stillen des Babys.

Beim Dreh mit Regisseurin Lynne Ramsay: Jennifer Lawrence (re.)
Beim Dreh mit Regisseurin Lynne Ramsay: Jennifer Lawrence (re.) © Kimberly French

Der Film übernimmt ihre Perspektive - auch im Wahnhaften, was zu aufwühlendem Horror führt. Er bleibt ihr an der Seite. Natürlich ist auch ihr Mann schwierig, aber auch zunehmend überfordert mit dem Schutz des Kindes und seiner zunehmend abdrehenden Frau, die an der Verbürgerlichung durchs Kinderkriegen und der Entfremdung vom Partner verzweifelt. Aber was will uns das Ganze sagen?

K: Cinema, Museum (beide OV)
R: Lynne Ramsay (USA, 118 Min.)

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.