Kirsten Dunst im Bürgerkrieg: "Civil War" - umstritten, aber gelungen

Weniger Politikparabel als Kriegsreporter-Thriller: Im packenden wie diskussionswürdigen "Civil War" wird das Schreckgespenst eines Bürgerkriegs in den USA Realität
Florian Koch |
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Kirsten Dunst spielt die desillusionierte Kriegsberichterstatterin Lee.
A24 / DCM 3 Kirsten Dunst spielt die desillusionierte Kriegsberichterstatterin Lee.
Highways menschenleer, verwüstet mit Auto-Wracks. Und auch hier lauert an jeder Ecke der Tod.
A24 / DCM 3 Highways menschenleer, verwüstet mit Auto-Wracks. Und auch hier lauert an jeder Ecke der Tod.
Kirsten Dunst spielt Lee - eine Anspielung auf Lee Miller. Hire mit der Fotografin (Cailee Spaeny) in Deckung.
A 24 / DCM 3 Kirsten Dunst spielt Lee - eine Anspielung auf Lee Miller. Hire mit der Fotografin (Cailee Spaeny) in Deckung.

Immer wieder bricht der Präsident der USA seine Rede ab, ringt nach Worten. So als würde er an sein hohles Pathos von "einem der größten Siege in der Geschichte der Menschheit" längst nicht mehr glauben. Wir, die Zuschauer, werden mit den verbalen Platzpatronen dieser angeblich epochalen Ansprache bald alleingelassen. Die Kamera hat sich längst entfernt, vom Fernseher, von der Politik, in Richtung Hotelbett, wo die müde wirkende Lee (Kirsten Dunst) entnervt auf den Aus-Knopf drückt. Ihr Blick ins Leere, aus dem Fenster, wo feuerrote Explosionspilze den Nachthimmel von New York einfärben, wird uns verfolgen. Den ganzen Film. Und auch später, nach dem Kinobesuch.

Gefährlich? Die Frage: Wie konnte es soweit kommen?

"Civil War" hatte bereits vor dem US-Start große Wellen geschlagen. Gefährlich sei der Film, unkten einige, so kurz vor der Wahl, in einem in so konträre Lager gespaltenem Land. Doch der Brite Alex Garland ("Ex Machina") ist viel zu schlau, um aus seiner apokalyptischen Vision eines neuerlichen US-Bürgerkriegs billig Kapital zu schlagen. Im Gegenteil verweigert er sich einer klaren politischen Haltung und leicht verdaulichen Antworten, erzählt nicht davon, wie es soweit kommen konnte, dass ein namenloser, mutmaßlich autoritärer Präsident in seiner dritten Amtszeit das FBI abschaffen und mit Flugstreitkräften die eigenen Landsleute aus der Luft bombardieren würde. Nur schemenhaft skizziert ist auch der Gegner, die Aufständischen, die ausgerechnet aus Florida und Kalifornien stammenden "Westlichen Streitkräfte".

Was macht eine Kriegsreporterin aus?

Anders als es der Trailer suggeriert bleiben die Hintergründe für den Bürgerkrieg ungeklärt. Sie sind nur eine Folie, um darüber zu berichten, was Kriegsreportagen eigentlich ausmachen und was sie mit denen machen, die sich mit dieser harten wie wichtigen Arbeit identifizieren.

Und so ist der große Trick des quasi dokumentarischen Films den Männern und Frauen an der Fotofront ganz nah über die Schulter zu blicken, während sie aus einem völlig verwüsteten Land berichten, dass eben nicht Vietnam, Irak, Kambodscha, sondern USA heißt.

Höllisch abgründiges Road Movie

Die spannendste Figur in diesem höllisch abgründigen Road Movie ist dabei Lee. Eine Frau, die ganz bewusst nach Lee Miller benannt ist, die einst die Verbrechen in den KZs Dachau und Buchenwald dokumentiert hat. Diese Lee, wie wir sie sehen, hat bereits alles gesehen, was es an Gräueltaten nun mal zu sehen gibt.

Kirsten Dunst spielt Lee - eine Anspielung auf Lee Miller. Hire mit der Fotografin (Cailee Spaeny) in Deckung.
Kirsten Dunst spielt Lee - eine Anspielung auf Lee Miller. Hire mit der Fotografin (Cailee Spaeny) in Deckung. © A 24 / DCM

Und dieses gewissenhafte, jahrelange Aufzeigen von globalem Leid hat etwas mit ihr gemacht, sie stumpf werden lassen, resigniert, schicksalsergeben. Ein Fotografen-Zombie. Selbst die große Aufgabe, die sie sich noch erfüllen will, an der Seite des virilen Adrenalinjunkies Joel (Wagner Moura) und des altersweisen Sammy (Stephen McKinley Henderson) reißt sie kaum aus ihrem komatösen Zustand: In einem SUV wollen sie zum Präsidenten vordringen, ins umkämpfte Washington. Für ein wahrscheinlich letztes Interview mit dem Despoten.

Highways: menschenleer, verwüstet

Aufgedrängt hat sich hier auch noch eine 23-jährige Nachwuchsfotografin, Jessie (Cailee Spaeny). Die anfangs naive Bewunderin von Lee wird bald verstehen, was es heißt "unglaubliche Angst zu erleben und sich gleichzeitig so lebendig zu fühlen wie nie zuvor".

Highways menschenleer, verwüstet mit Auto-Wracks. Und auch hier lauert an jeder Ecke der Tod.
Highways menschenleer, verwüstet mit Auto-Wracks. Und auch hier lauert an jeder Ecke der Tod. © A24 / DCM

Gemeinsam bereisen wir mit diesem um Objektivität ringenden Quartett ein Land, das wirkt wie im ersten Filmhit von Garland, dem Zombiethriller "28 days later". Auch hier sind die Highways menschenleer, verwüstet mit Auto-Wracks. Und auch hier lauert an jeder Ecke der Tod.

Schießen - egal ob Freund oder Feind

Bei den Begegnungen der unter Lebensgefahr arbeitenden Reportern schont Garland seine Zuschauer nicht. Tankstellen werden von runtergerockten Rednecks bewacht, die für ihre Folterspiele auch noch stolz posieren. Bitte recht unfreundlich, heißt es auch, wenn auf einem verhauenen Weihnachtsmarkt Scharfschützen blind aufeinander schießen, ohne dass sie wissen, auf welcher Seite sie oder der Feind politisch stehen.

Seite? Politisches Lager? Zugehörigkeit? Identität?

Aber was heißt überhaupt Seite? Politische Lager, Zugehörigkeit, Identität, sie spielen in diesem Film keine Rolle (mehr), haben sich im Rausch der Gewalt aufgelöst. Die Spannung entfaltet sich in diesem auch handwerklich herausragenden Film aus dem verstörenden Blick auf ein Land, das früher vielleicht einmal Stärke, Sicherheit und Verlässlichkeit ausgestrahlt hat. Nun aber, liegt die USA, so suggeriert es "Civil War", vor allem gesellschaftlich in Trümmern.

Und wer möchte bei dieser brillant eingefangenen Orientierungslosigkeit, diesen schockierend inhumanen Auflösungserscheinungen nicht an die Erstürmung des Kapitols denken, an Bilder, die damals, am 6. Januar wirkten wie aus einem, nun ja, schlechten Film.

Kino: City, Gloria, Mathäser, Monopol sowie Cinema, Museum Lichtspiele (OV)
R: Alex Garland (USA, 109 Min.)

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