Kinokritik zu "Kajillionaire": Skurrile Kleptomanie

Der dritte Spielfilm der Performancekünstlerin Miranda July.
von  Adrian Prechtel
Für Old Dolio (Evan Rachel Wood, Mitte) und ihre Eltern (Debra Winger und Richard Jenkins) ist die Welt ein anstrengender Selbstbedienungsladen.
Für Old Dolio (Evan Rachel Wood, Mitte) und ihre Eltern (Debra Winger und Richard Jenkins) ist die Welt ein anstrengender Selbstbedienungsladen. © Universal Pictures

Die Amerikanerin Miranda July ist keine klassische Filmemacherin - sie ist Sängerin, Schauspielerin, Performerin, erfolgreiche Autorin (mit Dramatisierung "Der erste fiese Typ" in den Kammerspielen) und hat nie eine Filmschule besucht.

Das hat Vor- und Nachteile: Denn einerseits entstehen daraus sehr frische Werke, wie 2005 die Komödie "Ich und Du und Alle, die wir kennen", der gleich mal in Cannes die Goldene Kamera für ein Debüt gewann.

"Kajillionaire" nimmt dramaturgische Regeln nicht allzu ernst

Andererseits verlangt July ihren Zuschauern auch einiges ab, weil sie dramaturgische und figurenzeichnende Regeln nicht allzu ernst nimmt. In "Kajillionaire" - was witzig gemeint so viel heißt wie "Superreich" - erleben wir eine extrem prekär lebende Kleinfamilie, die sich ständig durch Stehlen, Hochstapeln, Einschleichen und Betrügen über Wasser hält.

Die Eltern (Debra Winger als eiskalte Mutter) haben dazu auch ihre über 20-jährige Tochter (Evan Rachel Wood) abgerichtet. "Sie hat fälschen gelernt, bevor sie schreiben konnte", erinnert sich der Vater (Richard Jenkins): "Ehrlich gesagt hat sie so schreiben gelernt." Warum, wieso, mit welchem Hintergrund alles so gekommen ist, erfährt man nicht.

Psychospiel um die Emanzipation der Tochter

Vielmehr ist die Tragikomödie ein Psychospiel um die Emanzipation der Tochter aus der totalen Abhängigkeit, um den angeborenen Wunsch nach Normalität und ein Test der Frage: Liebt ihr mich oder braucht ihr mich nur? Die Antwort fällt zynisch aus.

Hier sind alle Figuren gestört, ohne dass man das an der panisch aufrecht erhaltenen bürgerlichen Fassade sofort merkt. Aber dahinter wird eine soziale Frage verhandelt: Was bleibt an emotionalem Raum und Verlässlichkeit, wenn man permanent ums Überleben kämpft?

Skurilles Kinoerlebnis

Hineingewoben sind Running Gags wie das Fliehen vor dem nervenschwachen Vermieter, dem man die Miete eines kleinen Büro-Lagerraums schuldet, in dem man wohnt. Oder die lesbische Liebe (Gina Rodriguez) der Tochter, die sie befreien könnte. "Kajillionaire" ist so ein skurriles Kinoerlebnis.


Kino: Leopold, Rio sowie City und Maxim (auch OmU) und Cinema (OV)
Buch & Regie: Miranda July (USA, 105 Min.)

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