Kritik

Kino für das Herz: „Saint-Exupéry - Die Geschichte vor dem kleinen Prinzen“

Der Film von Pablo Agüero erzählt eine südamerlkanische Episode aus dem Leben des Schriftstellers und Fliegers. Poetische Sequenzen spielen dabei auf sein berühmtestes Buch an
von  Margret Köhler
Antoine de Saint-Exupéry (Louis Garrel)-
Antoine de Saint-Exupéry (Louis Garrel)- © Studiocanal

„Die Post ist wichtiger als das Leben“, dieses Motto an der Tür zur Flughalle der Gesellschaft Aéropostale beschreibt das menschenverachtende Selbstverständnis der Firma. Die Beförderung von Briefen und Päckchen auf dem Luftweg über die Anden ist gefährlich und fordert zahlreiche Todesopfer. Hier konzentriert sich der Argentinier Pablo Agüero auf eine für Antoine de Saint-Exupéry (Louis Garrel) entscheidende Woche im Juni 1930.

Lange bevor Saint-Ex, wie er genannt wird, als Autor von „Der kleine Prinz“ zu weltweitem Ruhm gelangte, erfüllte er sich seinen Kindheitstraum vom Piloten und fliegt mit wackeligen Propellermaschinen über die Berge in niedriger Höhe, weil die Motoren es nur bis 4000 Meter schaffen.

Durch die Konkurrenz der billigeren Eisenbahn nehmen die Männer immer mehr Risiken bei Nachtflügen auf sich. Unter ihnen auch Henri Guillaumet (Vincent Cassel), sein bester Kumpel und wie er leidenschaftlicher Pilot, mit dem er die Grenzen des Machbaren auslotet. Als Henri beim Versuch, die Anden auf kürzerem Weg zu überqueren, verschwindet, macht sich sein Freund in Eis und Schnee auf die Suche, eine „Mission impossible“. Niemand weiß, wo das Flugzeug abgestürzt oder notgelandet ist.

„Um schreiben zu können, muss man zuerst gelebt haben“

Von der Aéropostale-Station auf dem Boden aus leitet ihn Henris Frau (Diane Kruger) per Funk. Zwischen Abenteuerfilm und poetischem Märchen inszeniert Agüero weit entfernt von einem chronologischen Biopic eine spannende Geschichte über zwei Pioniere der Luftfahrt wie auch über eine unverbrüchliche Freundschaft, drehte über zwei Jahre in den Anden und in Patagonien. Dabei bewegt er sich in einer Traumwelt zwischen Fakten und Fiktion.

Antoine de Saint-Exupéry (Louis Garrel)
Antoine de Saint-Exupéry (Louis Garrel) © Studiocanal

Der Film sei auch als „Märchen im Geiste Saint-Exupérys“ gedacht und „das Making Of seiner Fantasie“ erklärt der Filmemacher und versteckt immer wieder poetische Sequenzen in der Handlung, wie das Zusammentreffen mit einem jungen Mädchen, das mit seinen Tieren allein in den Bergen lebt und an Saint-Exupérys Kurzgeschichte „Les petites princesses d‘Argentine“ erinnert, sie führt ihn mit weiteren Figuren bei der Rettungsaktion von einem Ort zum nächsten. Seine Erlebnisse dienen dem Schriftsteller als Inspiration, kritzelt er doch im Cockpit permanent Texte und Zeichnungen in ein Notizbuch.

Atemberaubende Bilder

„Um schreiben zu können, muss man zuerst gelebt haben“ lautete sein Credo, und so finden sich Fragmente dieses Abenteuers auch in den Begegnungen in „Der kleine Prinz“ wie seine Erfahrungen als Flieger in der Sahara in „Wind, Sand und Sterne“.

Antoine de Saint-Exupéry (Louis Garrel) und Noëlle Guillaumet (Diane Kruger)
Antoine de Saint-Exupéry (Louis Garrel) und Noëlle Guillaumet (Diane Kruger) © Studiocanal

Im Kommentar des Erzählers erfährt man am Ende, dass der Poet der Lüfte von einem Aufklärungsflug am 31. Juli 1944 zur Vorbereitung der Landung Alliierten in der Provence nie zurückgekommen ist. Wer aufgrund des deutschen Titels glaubt, in das Reich des Kleinen Prinzen entführt zu werden oder sich über den manchmal holpernden Erzählbogen wundert, sollte damit nicht hadern.

Atemberaubende Bilder einer wuchtigen Natur auf der großen Leinwand und die optimale Besetzung mit Garrel als sanft-naivem Träumer: das ist Kino mit Herz. Und wir wissen ja vom „Kleinen Prinzen“, nur mit diesem sieht man gut.

 

R: Pablo Agüero, I, 98 Min, Kinos: Leopold, Rio, Gauting, Neufahrn

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