King Kong liebt die Deneuve
Gott ist tot! Ja, fast. Denn er ist nichts weiter als ein abgerissener, proletiger Familientyrann mit Fluppe und Morgenmantel, in einer modernen Hochhaussiedlung am schäbigen Stadtrand von Brüssel. Von dort lebt er einsam seine Sadismen aus am alten Computer in seinem gut verschlossenen Bürozimmer und ersinnt immer weitere Gebote, wie: „Sobald sich einer in die Badewanne legt, klingelt das Telefon.“ Oder: „Ein Unglück kommt selten allein.“
Aber natürlich sind auch echte Katastrophen Gottes Werk, den der französisch-belgische Starkomiker Benoît Poelvoorde schlechtest gelaunt und raunzig spielt. Dies ist nur der surreale Ausgangspunkt für „Das brandneue Testament“.
Wenn Gottes Tochter ungehorsam wird ...
Die 10-jährige Tochter Ea (Pili Groyne) wagt den Exodus aus der kleinbürgerlichen, dumpf-dunklen Familienhölle, hackt sich in Gottvaters Sterbedatei ein, verschickt per SMS an alle Menschen ihr jeweiliges Sterbedatum und geht in die wirkliche Welt.
Hier erlebt sie das Gedankenspiel, was wäre, wenn ich wüsste, wie lange ich noch zu leben hätte?, als Wirklichkeit.
Philosophisch neuer Blick auf das Leben
Das Fantastische am Film von Jaco Van Dormael („Toto der Held“) ist zweierlei: Die philosophische Ebene, die einen neuen Blick auf das Leben gewährt, da er aus der Sicht eines sympathischen, völlig vorurteilsfreien Mädchens erzählt ist, das ein unverdorbenes Gerechtigkeitsempfinden hat und Gott spielt.
Und: Dormael ist ein Meister tragikomischer, bizarrer Situationen, die hier in große humane Wärme getaucht werden: Man erlebt die Befreiung eines ödipalen Peepshow-Gängers, die Selbstverwirklichung eines Jungen, der sich als Mädchen fühlt oder auch die innere Wiedergeburt einer schönen, melancholischen Frau, die bei einem Unfall eine Hand verloren hatte. Viele wunderbare Bilder wird man nicht mehr vergessen, wie das Ballett der verloren gegangenen Hand auf einer Tischplatte zu Musik von Händel.