Keine Einigung: Streit um das Kino am Sendlinger Tor geht weiter

München - Noch kurz vor der Verhandlung traf bei den Kinobetreibern noch ein "Grußwort" ein: "Lieber Herr Preßmar, in alter Verbundenheit täte es mir in der Seele weh, wenn nach 108 Jahren Ihr Kino schließen müsste. Gerade erleben wir leidvoll, wie ein Virus uns alle befällt und kaum auszurotten ist. Der ,Ruach' ist auch so ein Virus, der in den Immobilienbesitzern lebt und gedeiht und unsere Münchner Altstadtperlen sterben lässt, ohne ihnen die nötige Intensivpflege zukommen zu lassen! Ich hoffe, unser Lieblingskino ist doch noch zu retten!!! Herzlich, schmerzlich, Ihr Gerhard Polt".
Besitzer des Filmtheaters wollen Räumungsklage abwenden
Danach wurde im Landgericht München der Gütetermin verhandelt, bei dem Fritz und sein Sohn Christoph Preßmar die Räumungsklage gegen Sie für das Filmtheater am Sendlinger Tor abwenden wollten. Denn die Hauseigentümer der Immobilie wollen mehr Geld aus der Immobilie herausholen. Grundlage für alles ist der Pachtvertrag von 1956. In dem steht noch eine Monatspacht von 4666,66 DM drin, also umgerechnet ungefähr 2.300 Euro, was zu einer Jahrespacht von unter 30.000 Euro führt. Dass diese Summe zu niedrig wäre, bestreitet auch Fritz Preßmar nicht. Vielmehr spielt hier eine zweite Klausel mit hinein, die Summe ist nämlich nur die Mindestpacht. Tatsächlich wird 14 Prozent des Jahresumsatzes des Kinos an die Hauseigentümer gezahlt.
Preßmars bieten an, die alte Mindestpacht zu verdreifachen
Die Räumungskläger waren zu der Verhandlung gar nicht erschienen, sondern hatten nur ihren Rechtsanwalt geschickt. Der rechnete vor, dass die - witzig klingenden - 4666,66 Mark heute inflationsbereinigt und umgerechnet ungefähr 8.000 Euro wären und nicht 2.300 Euro. Auch das bestreiten die Preßmars nicht und haben deshalb zur Güte angeboten, die alte Mindestpacht zu verdreifachen und auf genau die angepasste Summe von jährlich 100.000 Euro anzuheben.
Natürlich hat das Coronajahr auch eine Rolle gespielt, dass sich der seit acht Jahren ausgetragene Pacht-Streit noch einmal angeheizt hatte. Denn durch die monatelange Kinoschließung war plötzlich die 14-prozentige Umsatzbeteiligung unter die Mindestpacht von 1956 gefallen, was so noch nie vorgekommen war. "Wir haben aber freiwillig statt der monatlichen Mindestsumme von 2.300 Euro, 5.000 Euro unter Vorbehalt bezahlt. Diese freiwillige Mehrzahlung würden wir bei einer Einigung auch nicht mehr zurückfordern", sagt Fritz Preßmar.
Bislang konnte im Streit um das Kino keine Einigung erzielt werden
Da der Gütetermin ohne Urteil oder Einigung endete, wurde die Weiterverhandlung auf den 16. April festgesetzt. Sollte bis dahin keine Einigung erzielt werden oder die Hauseigentümer nicht auf den Vorschlag der neuen Mindestpacht von 100.000 Euro, falls die 14 Prozent Umsatzbeteiligung darunter liegen, eingehen, hat Richter Marco Ottaviano ein Urteil zur Räumungsklage in Aussicht gestellt. Oder: die Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Wert des Pachtgegenstandes.
"Nur", sagt Fritz Preßmar: "Zur Zeit ist das aber schwer möglich, weil sich die Immobilien- und Mietpreise in den Innenstädten und auch in München gerade extrem verändern. Ausnahmsweise nach unten." Jedenfalls wollen die Preßmars alle Rechtsmittel ausschöpfen, um das Filmtheater am Sendlinger Tor als Kino zu erhalten. Um ein Haar wären anfangs im Landgericht noch Leute des Saals verwiesen worden. Nicht wegen Störung, sondern weil die Zuschauerzahl fast den Rahmen der Coronaauflagen gesprengt hätte. Das wiederum ist kein Wunder, schließlich handelt es sich bei dem Kino um ein Stück alter, traditioneller Stadtkultur, für dessen Erhalt letzten Donnerstag eine Petition mit 10.000 Unterschriften an den Landtag übergeben worden war.
"Bully" verteidigt das Filmtheater: "Es repräsentiert Kino in seiner perfekten Form"
Seitdem habe sich - neben Gerhard Polt - noch einige andere Prominente hinter das Kino gestellt. "Schon Alfred Hitchcock hat gesagt, worauf es ankommt: ,Right place, right time, right party!' Das Filmtheater Sendlinger Tor sollte also genau da bleiben, wo es ist. Es ist keine seelenlose Abspielstation für Filme, es hat Geschichte geschrieben und repräsentiert Kino in seiner perfekten Form!", hat Michael Bully Herbig den Preßmars geschrieben.
Und Simon Verhoeven ergänzt: "Das Filmtheater Sendlinger ist seit Kindheitstagen eines meiner Lieblingskinos. Seine gemalten Plakate sind stadtbekannt, sein einzigartiges Flair, seine Wärme und Eleganz, zeugen von einer Liebe zur Kultur und zum Kino, die nur noch ganz wenige Orte unserer Stadt verkörpern. Wenn dieses wunderbare Stück München sterben sollte, wäre das eine unwiderrufliche Schande für die ganze Stadt." Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.