Jonas Rivera und Pete Docter: Am Anfang war die Freude
München - Docter ist der Schöpfer der „Monster AG“ und entwickelte die „Toy Story“-Figuren. Alles Projekte, an denen Rivera auch als Produzent beteiligt war. Eine Kreation Docters war auch „Wall.E“ Die AZ hat Pete Docter und Jonas Rivera zum Interview getroffen.
AZ: Mr. Docter, Ihre Geschichte spielt in einem so geannten WASP-Milieu: weiß, angelsächsisch, protestantisch. Das ist ja fst nicht mehr die Mehrheitsgesellschaft in den USA.
PETE DOCTER: Ich kann mich da nur verteidigen, indem ich sage: Die Geschichte ist einfach der Realität, auch meiner Familie, abgeschaut. Jonas und ich leben in San Francisco, da gibt es natürlich eine große Mischung vor allem mit Asiaten, aber letztlich Leuten aus der ganzen Welt. Aber Familien bleiben oft in ihrem Milieu.
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Und dass die Familie von Minnesota nach San Francisco umzieht, ist ja auch eine amerikanische Wahrheit.
JONAS RIVERA: Ja, weil die ganzen Start-Ups dort sind, Silicon Valley ist nebenan. San Francisco ist ein Boom-Town, auch mit allen negativen Auswirkungen, weil sich die Stadt nur noch Reiche leisten können und – mal zynisch gesagt – „Obdachlose“. Aber es bleibt eine wunderbare Stadt. Unsere Idee war es, nicht eine fiktive Allerweltstadt als Hintergrund zu benutzen, sondern eine Stadt, die es wirklich gibt, die wir auch selbst erleben. Und es gibt Ecken, wo exakt das Haus von unserer Hauptfigur, der 11-jährigen Riley und ihren Eltern, stehen könnte. Und San Francisco hat ja Nebel, alles ist mit den unheimlichen Kabeln des Cable Car verdrahtet, es liegt hügelig am Meer. Das alles fanden wir ein gutes Echo auf die Geschichte.
Die Geschichte spielt ja überwiegend im Kopf des Mädchens. Hier in Riley sind Wut und Angst männliche Charaktere, Freude, Ekel, Kummer weibliche Emotionen. Was wollen Sie damit sagen?
PETE DOCTER: Manchmal sind Gründe ganz banal: Wir haben mit einer Szene begonnen, in der die Familie am Tisch sitzt und wir auch sehen, was in ihren Köpfen abläuft, jeder mit 5 Grundemotionen, die gegen- und miteinander arbeiten. Das sind bei drei am Tisch 15 Figuren plus die drei am Tisch: also 18. Damit man da einen klaren Kopf als Zuschauer behalten kann, haben wir einfach klar getrennt: Im Kopf der Mutter sind alle Gefühle weibliche Figuren und beim Vater eben männlich.
Aber beim Mädchen eben nicht.
JONAS RIVERA: Ja, da haben wir die Wahrheit belassen, dass jeder von uns in sich ja auch Elemente und Charaktereigenschaften des anderen Geschlechts in sich trägt. Und wenn ich an meine zwei Töchter denke, die jetzt 7 und 9 Jahre alt sind. Das Wunderbare ist: Die mögen diesen ganzen Mädchen-Kram und wollen dann aber auch wieder Lego-Star-Wars zu Weihnachten. Die sind eben noch nicht von unserer Gesellschaft so stark gelenkt, was für Mädchen und was für Jungen so genannt „passend“ oder „richtig“ ist. Und das haben wir mit Riley auch versucht, dass sie eben noch ein „richtiges“ Kind ist.
Ihre fünf Emotionen sind eine Auswahl.
JONAS RIVERA: Ja, aber denken Sie mal selber nach. Welche Grundemotionen fallen Ihnen denn noch zusätzlich ein. Wir kamen noch auf sowas wie „Hoffnung“, aber das war uns alles zu ungreifbar. Und mit „Freude“ kann man fast alles Positive ausdrücken. Riley zum Beispiel ist so „stolz“, dass sie denkt, vielleicht werde ich mal Präsidentin von Amerika! Da lassen wir eben „Freude“ zum Zug kommen. Und mit „Angst“ und „Ekel“ ist das meiste Negative ja abgedeckt, oder?
Im Original gibt es „Fear“, im Deutschen ist es „Angst“. Und im Englischen gibt es ja lustigerweise noch den Ausdruck „German Angst“.
PETE DOCTER: Ja, das benutzt man als Typisierung im Sinne von „deutscher Zögerlichkeit“, aber ich habe keine Ahnung, ob das stimmt.
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Und das englische „Sadness“ wurde in der deutschen Version zu „Kummer“, was sanfter klingt. Es könnte ja auch „Traurigkeit“ sein
JONAS RIVERA: Manchmal ist es ganz simpel. Wenn man lippen-synchron übersetzen muss, muss es passen: Sadness hat zwei Silben und Kummer auch, da passt Trau-rig-keit nicht.
Sie haben das Geburtstrauma nett umgedeutet: Riley lacht, als sie die Welt erblickt.
PETE DOCTER: Natürlich ist das geschönt, weil die meisten Babys nach der Geburt schreien müssen. Aber wir haben da Riley zu etwas Besonderem gemacht und gesagt: Wir wollen „Freude“ als das Wichtigste im Leben gleich zu Beginn herausheben.
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