In den Herzen die Finsternis

Räuberpistole zum Niederknien: Bouli Lanners bringt die Apokalypse in den Norden Frankreichs. "Das Ende ist erst der Anfang" ist ein fantastischer Neo-Western mit dunklem Humor und leiser Hoffnung.
von  Andreas Fischer
Bild 6 zu "Das Ende ist erst der Anfang"
Bild 6 zu "Das Ende ist erst der Anfang" © 2016 Kris Dewitte / nfp
Am Ende gönnt sich Filmemacher
Bouli Lanners ein wenig Hoffnung. Doch auf dem Weg dahin lässt der Belgier ("Eldorado") nicht viele gute Haare an den Menschen, die sich in einer gottverlassenen Gegend im Norden Frankreichs an die Gurgel gehen. Lanners absolut sehenswerter Neo-Western "Das Ende ist erst der Anfang" ist einer dieser Filme, die man gesehen haben muss, wenn man das Kino
liebt, und wenn man sein Leben liebt. Es ist eine Geschichte von Wahnsinn und Trostlosigkeit, erzählt mit zynischem Humor und skurriler Gewalt, aber eben auch mit diesem Funken Hoffnung am Schluss, dass die Menschlichkeit in Zeiten allgemeiner Dämmerung nicht ganz ins Dunkel gehüllt wird. Der Wahnsinn ist Hauptdarsteller in "Das Ende ist erst der Anfang", außerdem tummeln sich im Norden Frankreichs eine Handvoll Dorfschläger, ein aus der Psychiatrie flüchtendes Pärchen, zwei alternde Handlanger eines Gangsterbosses und ein Mann namens Jesus. Sie alle sind Teil eines apokalyptischen Bildes, dass eine Zeit ohne Menschlichkeit zeigt. Die Welt geht unter dort in der Ödnis, die von Gott
verlassen scheint. So war es im Fernsehen zu sehen und so benehmen sich die wenigen Menschen, die zwischen leeren Fabrikhallen, heruntergekommenen Einfamilienhäusern und der verlassenen Trasse eines gescheiterten Magnetschwebebahn-Projekts auftauchen. Mit grandiosen Cinemascope-Bildern gestalten Lanners und seinen Kameramann
Jean-Paul de Zaeytijd eine elegische Westernlandschaft, in der man sich in Melancholie verlieren kann. Verloren sind alle Menschen dort; und auf der Suche. Die Kopfgeldjäger Gilou (Lanners selbst) und Cochise (Albert Dupontel) sollen ein Handy mit geheimen Informationen wiederfinden. Die geistig beeinträchtigten Ausreißer Esther (Aurore Broutin) und Willy (David Murgia) suchen Esthers Tochter. Die Dorfschläger suchen Streit
, und ein geheimnisvoller Mann (Philippe Rebbot) sucht nach Erlösung. Ihre Wege kreuzen sich immer wieder in gut durchdachten, mal komischen, mal traurigen Nebenhandlungen, die Lanners mit religiösen Metaphern angereichert virtuos zu einem Ganzen verknüpft. Eingebettet in eine originelle und gut durchdachte Krimihandlung lässt Lanners seine wortkargen und ruppigen Figuren zu einem Spiel antreten, in dem sie existentielle Fragen beantworten müssen. Nach dem Wert des Lebens etwa, nach der Notwendigkeit von Zuneigung und Wärme, nach der Fähigkeit zu lieben. Aber sie finden vor allem Finsternis und Gewalt in den Herzen. Und eine mumifizierte Leiche im Schlafsack. "Das Ende ist erst der Anfang" ist ein düsterer Film, aber auch einer, der Trost spenden will. Das gelingt ziemlich gut, weil sich der bekennende Katholik Lanners auf seine Figuren konzentriert, mit viel Empathie für die Schwachen eintritt und mit Vehemenz gegen die Menschen vorgeht, die das Leben als Selbstbedienungsladen begreifen. Das Schöne ist: Die Hoffnung ist noch nicht ganz verloren. Und deswegen dürfen am Ende auch zwei Menschen in den Sonnenuntergang reiten.
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