Im Kinosommer des Missvergnügens
Wer wissen will, wie man mit einem Hollywood-Film so richtig Kasse macht, sollte seine Nummer kennen: Jerry Bruckheimer, ein schlanker Mann mit dünner Stimme und mittlerweile auch dünnem Haar, gilt als „Mr. Blockbuster“. Der Produzent hat die Karriere von Tom Cruise mit „Top Gun“ zum Abheben gebracht und Johnny Depp als tuntigen Piraten Jack Sparrow beim Disney-Studio durchgesetzt.
Doch jetzt, mit 69 Jahren, steht Bruckheimer vor den Scherben einer Karriere. Sein 250 Millionen Dollar teurer Fantasy-Western „Lone Ranger“ könnte zu seinem größten Flop werden und damit stellvertretend für einen Kino-Sommer stehen, der die Zukunft der Hollywood-Maschinerie in Frage stellt.
„Am wichtigsten ist, dass man sich mit einem hoch talentierten Team umgibt“, erzählte Bruckheimer 2011 noch der AZ, als er „Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten“ in München vorstellte. Ganz nach diesem Credo setzte der Star-Macher für „Lone Ranger“ auf den „Fluch der Karibik“-Regisseur Gore Verbinski und sein Zugpferd Johnny Depp. Wieder sollte der 50-jährige Exzentriker mit dem Indianer Tonto eine Figur kreieren, die mit ihrem bizarren Benehmen ganz offensichtlich an Jack Sparrow angelehnt ist. Der Schuss ging aber gehörig nach hinten los, denn Kritiker schossen sich bald auf Depps fast selbstparodistische Standard-Maskerade ein und ließen auch an Verbinskis überteuertem und überlangem Film kein gutes Haar.
Die negative Mundpropaganda machte sich früh bemerkbar und „Lone Ranger“ vom US-Starttag an einen so lebendigen Eindruck wie die tote Krähe auf Depps Kopf. In Deutschland und einigen anderen Ländern kommt der Film am Donnerstag in die Kinos, aber trotz Marketing-Overkill scheint es aussichtslos, die anvisierten 500 Millionen Dollar einzuspielen (im Moment steht der Film bei weltweit 175 Millionen Dollar). Das verantwortliche Disney Studio kann das prognostizierte Minus von 190 Millionen Dollar aber halbwegs verschmerzen, hatte es mit dem Comic-Spektakel „Iron Man 3“ (weltweites Einspiel: ca. 1,2 Milliarden Dollar) und dem Animationsfilm „Die Monster Uni“ (bisheriges Einspiel: 613 Millionen) 2013 zwei Riesenhits. Für Depp, der zuletzt mit seinem Karriereende kokettierte („Ich weiß nicht, ob ich das noch lange machen will“), und speziell für Bruckheimer könnten aber härtere Zeiten anbrechen. Ihre exorbitanten Gagen für „Fluch der Karibik 5“ sollen noch einmal nachverhandelt werden.
Immerhin befinden sich Depp und Bruckheimer mit ihrem „Lone Ranger“ in guter schlechter Gesellschaft. Weltstar Will Smith erlebte mit seinem verquasten Vater-Sohn-Science-Fiction-Film „After Earth“ (Einspiel in den USA: 60 Millionen Dollar) eine Bauchlandung, während Tom Cruise mit „Oblivion“ (89 Millionen Dollar) zwar keine Endzeitstimmung erzeugte, aber dennoch hinter den Erwartungen zurück blieb.
Ganz schlimm erwischte es die Deutschen. Roland Emmerich machte sich mit „White House Down“ (US-Einspiel: 71 Millionen) wieder über das Weiße Haus her, bei der 150 Millionen Dollar teuren Zerstörung gab es aber kaum Schaulustige. Den bösesten Bauchplatscher legte aber Robert Schwentke hin. Seine 130 Millionen-Comedy „R.I.P.D“ erinnerte viele Kritiker an „Men in Black“ (US-Einspiel: ca. 30 Millionen), wird aber niemals schwarze Zahlen schreiben.
Den Blockbuster-Burnout prophezeite bereits Steven Spielberg bei einem Vortrag vor Filmstudenten: „Es wird eine Implosion geben, bei der drei oder vier oder sogar ein halbes Dutzend Megabudget-Filme und damit das gesamte Modell Hollywoods in sich zusammenstürzen.“ In das gleiche Horn stieß Regie-Kollege Steven Soderbergh, der bei seiner Brandrede in San Francisco aber auch den mangelnden künstlerischen Anspruch in Hollywood kritisierte: „Immer weniger Manager sind in diesem Geschäft, weil sie Filme lieben. Immer weniger Manager in den Studios kennen überhaupt Filme“, so sein vernichtendes Fazit.
Filme der mittleren Preisklasse (Budgets zwischen 25 bis 50 Millionen Dollar), für die auch Soderbergh steht, werden aus angeblich mangelnder Rendite kaum noch produziert. So musste sich Soderbergh seine wunderbare Pianistenbiografie „Behind the Candelabra“ mit Michael Douglas als Liberace vom Pay-TV-Kanal HBO finanzieren lassen, und selbst Spielbergs „Lincoln“ wäre beinahe eine TV-Produktion geworden.
Dem möglichen künstlerischen Weltuntergang will man sich trotz schwacher Zahlen aber auch in Zukunft nicht stellen. Lieber setzt man weiterhin auf kostspielige Weltuntergangsprojekte wie „Transformers 4“ oder Comic-Verfilmungen wie "Spiderman“. Als Argument müssen dabei immer wieder die steigenden Profite im Ausland herhalten. Gerade in Wachstumsmärkten wie Russland und China ziehen actionreiche, aber ideenlose Krach-Bumm-Fortsetzungen. Dumm nur, dass der staatliche chinesische Filmverleiher im Streit über eine chinesische Steuer auf Filmeinnahmen gerade seine Zahlungen an die US-Studios ausgesetzt hat. Aber vielleicht kommt Hollywood auf diesem Wege endlich zum Umdenken.