"Im Herzen der See": Schiffbruch mit Chris Hemsworth

Oscarpreisträger Ron Howard will mit seinem neuen Epos eine Art Vorgeschichte zu "Moby Dick" erzählen. Doch die Idee zu "Im Herzen der See" ist spannender, als die zähe Umsetzung.
(mih/spot) |
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Nicht alles an "Moby Dick" aus dem Jahr 1956 mag große Filmkunst sein. Der Stoff, der auf dem gut 100 Jahre zuvor erschienen Roman von Herman Melville beruht, galt lange Zeit als nicht verfilmbar. Zudem störten sich viele an der Besetzung der Hauptrolle, spielte doch ausgerechnet Hollywood-Schönling Gregory Peck (1916-2003) den tyrannischen Kapitän Ahab. Doch eben jener brannte sich mit einer einzigen Szene ins filmhistorische Gedächtnis: Wie er tot an der Flanke Moby Dicks hängt und sein schlaffer Arm dabei hin- und herwackelt, als würde er die noch lebenden Besatzungsmitglieder des Walfangschiffs "Pequod" zu sich heranwinken.

Sehen Sie den Trailer zu "Im Herzen der See" bei MyVideo

"Im Herzen der See" ist nun, um in der Blockbuster-Sprache zu bleiben, gewissermaßen das Prequel zu "Moby Dick". Der Film erzählt die Schiffskatastrophe des amerikanischen Walfängers "Essex", dessen Geschichte Herman Melville später zu seinem Roman inspiriert haben soll.

Chris Hemsworth (32, "Rush") ist so etwas wie Pecks legitimer Nachfolger. Auch ihm haftet ja der Ruf als Schönling an, 2014 wurde er sogar offiziell zum "Sexiest Man Alive" gewählt. Für seine Rolle unterzog er sich im Laufe des Films einem radikalen optischen Wandel: stark abgemagert, mit zotteligem Bart und verfilzten langen Haaren auf hoher See. Anders als sein Vorgänger spielt Hemsworth allerdings den Helden in der Geschichte.

 

Darum geht's

 

Als erster Offizier schließt sich Owen Chase (Hemsworth) dem Walfänger "Essex" an, obwohl ihm eigentlich das Amt des Kapitäns versprochen wurde. Doch das beansprucht der unerfahrene George Pollard (Benjamin Walker) per Familienrecht für sich. Während der sich unter Deck verschanzt, ist Chase ein Mann der Tat, der sich schnell bei der Truppe beliebt macht. Problematischer als der sich zuspitzende Konflikt zwischen den beiden starken Männern ist aber das Ausbleiben des Fangs: Monatelang schippert die "Essex" auf den Meeren umher, doch die Wale machen sich rar.

Nach über einem Jahr stößt das Schiff schließlich auf eine ganze Wal-Herde. Das Problem: In deren Mitte befindet sich ein riesiges Exemplar, das es sich offensichtlich zur Aufgabe gemacht hat, seine erlegten Artgenossen zu rächen. Mit einer finalen Attacke versenkt das gewaltige Säugetier die "Essex". Chase, Pollard und ihre Seemänner plätschern in kleinen Rettungsbooten orientierungslos auf dem offenen Meer umher - heftigen Stürmen und gnadenlosem Hunger hilflos ausgeliefert.

 

In Rückblenden erzählt

 

Erzählt wird die ganze Geschichte aus Sicht des Matrosen Tom Nickerson, der das Schicksal der "Essex" 30 Jahre nach ihrem Untergang dem Autoren Herman Melville diktiert. Ein Kunstgriff, der den Bezug zur literarischen Vorlage herstellen soll, die ohnehin etwas träge Geschichte aber zusätzlich ausbremst. Zudem fällt "Im Herzen der See" erstaunlich vorhersehbar aus, was bei historischen Katastrophenfilmen zwar in der Natur der Sache liegt, doch auch abseits der eigentlichen Geschichte gibt es kaum Überraschungen.

Chase ist der eindeutig definierte Held - auch wenn er in der zweiten Filmhälfte genauso lädiert aussieht wie seine Schicksalsgefährten. Kapitän Pollard wird als völlig unfähiges, eingebildetes Greenhorn vorgestellt, nur um dann eine nicht recht nachvollziehbare Wandlung zum geläuterten Heroen zweiter Klasse zu durchlaufen. Die restlichen Schauspieler sind eher mitschwimmendes Beiwerk und bis auf Chase' alten Jugendfreund und zweiten Offizier Matthew Joy (Cillian Murphy) wird auch niemand eines zweiten Blickes gewürdigt.

Das wiederum macht es schwer, die gesamte menschliche Tragödie wirklich zu fassen. Die Kannibalen-Geschichte, die wohl der finale Magenschwinger sein soll, kündigt sich schon viel zu früh an, um ein echter Wirkungstreffer zu sein und verpufft dann ein bisschen. Besonders schwer wiegt: Obwohl das Schiff über ein Jahr auf hoher See ist, bleibt einem als Zuschauer das Leben auf dem hölzernen Ungetüm verschlossen. Optisch zeigt "Im Herzen der See" genau das, was man vom zeitgemäßen Blockbuster-Kino erwarten darf, wobei der Kamera vereinzelt auch tatsächlich grandiose Aufnahmen gelingen, die so nicht jeder Regisseur auf die Leinwand zaubert.

 

Fazit:

 

"Im Herzen der See" ist keine platte "Moby Dick"-Neuauflage und kein bombastisches Schiffeversenken mit Cameron'schem Weltschmerz. Dafür aber ein ziemlich vorhersehbarer und langatmiger Katastrophenfilm, der zwar schön in Szene gesetzt ist, den man mit Einsetzen des Abspanns aber schon beinahe wieder vergessen hat.

 

 

 

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