"House of Gucci": Das kommt im besten Hause vor

Ridley Scotts All-Star-Familiensaga "House of Gucci" mit Lady Gaga, Adam Driver und Al Pacino.
Adrian Prechtel
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Die Zukunft des Familien-Clans sichern: Al Pacino (rechts) hofft, dass die etwas ordinäre Frau (Lady Gaga) seinen Neffen (Adam Driver) zu einem würdigen Gucci-Erben und Unternehmensleiter macht. Von seinem eigenen Sohn Paolo Gucci (Jared Leto, links) und dessen Frau hält er jedenfalls nichts.
Die Zukunft des Familien-Clans sichern: Al Pacino (rechts) hofft, dass die etwas ordinäre Frau (Lady Gaga) seinen Neffen (Adam Driver) zu einem würdigen Gucci-Erben und Unternehmensleiter macht. Von seinem eigenen Sohn Paolo Gucci (Jared Leto, links) und dessen Frau hält er jedenfalls nichts. © Metro Goldwyn Mayer Pictures

Wenn man aus einem Menschen nicht ganz schlau wird, kann das irritierend sein. In einem gut gemachten Film aber kann das zu einem Schillern der Figuren führen, zu einem spannenden Flirren.

Der edle, am Ende auch blutige Stoff, aus dem "House of Gucci" gewirkt ist, hat etwas von einem Shakespeare-Drama "made in Italy" am Ende des 20. Jahrhunderts: Aufstieg, Macht und Geld als Antrieb - letztlich auch für Gewalt. Und die Frage nach Liebe. Aber schon nach drei Generationen ist es mit den Guccis als führendem Familianclan im Edelboutiquen-Geschäft schon wieder aus.

Anwalt und Großinvestor machen Gucci zu Modeimperium

Ein undurchschaubarer Familienberater und sonnenbebrillter Anwalt übernimmt zusammen mit einem Großinvestor aus dem Nahen Osten und macht Gucci zum milliardenschweren Modeimperium. Familienpatriarch Aldo (Al Pacino) ist ausgeschaltet, wie - sehr endgültig - auch sein dauerbubihafter Neffe Maurizio (Adam Driver).

Im Zentrum aber steht eine Frau: Lady Gaga als Patrizia Reggiani, die Tochter eines mafiösen, kleinen Speditionsunternehmers, dessen Büro sie frech und zupackend leitet. Genauso zielstrebig wird sie uneingeladen auf eine High-Society-Party gehen - nach dem Motto "How to marry a millionaire".

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Der Film von Ridley Scott surft dabei von Anfang an lässig auf der jeweiligen Zeitgeist-Popmusik: beginnend in den späten 70ern, wenn Donna Summer auf der Mailänder Disco-Maskenparty "I Feel Love" singt, wobei sich eben diese Patrizia Reggiani den naiven Maurizio Gucci (Adam Driver) angelt. Nostalgische Italo-Schlager und Pop der 80er untermalen den Mittelteil Und wenn am Ende - zwanzig Jahre später - die musikalische US-Tragödin Tracy Chapman betrauert, dass ein Paar nie die richtigen Worte wie "Sorry" oder "Forgive me" gefunden hat, steigt in diesen Song die große Stimme des ewigen italienischen Provinzjungen Pavarottis ein. Und der Story-Bogen ist vollendet - mit der Botschaft, dass hier ein Paar vielleicht an verfehlter Kommunikation gescheitert ist.

Lady Gaga hat in Interviews erzählt, dass die Rolle der Patrizia Reggani sie psychisch fast aufgerieben hat. Diese Überforderung ist kein Wunder. Denn es ist nie klar, ob diese Frau wie eine Lady Macbeth nur berechnend ist oder ihren Gucci-Prinzen nicht doch auch liebt. Und ob sie - nach dem Ehescheitern - nur enttäuscht kaltblütig wie eine Medea reagiert oder innerlich nicht doch auch rasend ist vor Liebe, die in Wut umgeschlagen ist. Das alles wäre Material, aus dem sich viele Funken schlagen ließen. Nur dass Ridley Scott das erzählerisch nie in den Griff bekommt.

"House of Gucci": Undurchsichtige Charaktere

Dieses psychologische Schwäche gilt auch für die anderen Figuren: Auch bei Adam Driver weiß man nicht, ob dieses Gucci-Söhnchen Maurizio etwas vom Geschäft versteht oder nur Marionette seiner Frauen ist, oder sich - gegen Ende - doch emanzipiert? Selbst die zentrale Paartrennung ist in "House of Gucci" eine lasche Implosion anstatt ein "Who is afraid of Virginia Woolf"-Drama. Immerhin spielt Lady Gaga ja eine italienische "Liz Taylor", wie Patrizia Reggiani auch genannt wurde. Und liebt ihr Mann Paolo Gucci eigentlich seine kleine Tochter? Der Film vergisst diese Frage und Figur einfach.

Auch die Nebenfiguren sind seltsam unmotiviert wie Salma Hayek als Astrologin, zu der Patrizia eine psychische Abhängigkeit entwickelt. Ist es reiner Geschäftssinn der Esoterikerin, eine Superreiche abzuzocken, oder entwickelt sich hier nicht doch eine Art komplizenhafter Frauenfreundschaft? Und hat Al Pacinos homosexuelle, hysterischer Taugenichts-Filmsohn Paolo Gucci (Jared Leto - unfassbar peinlich im dauerjammernden Homo-Falsett) wirklich kein Talent zum Modedesigner oder wird er nur verkannt kaltgestellt?

In all diesen Unklarheiten müssen die Schauspieler und Schauspielerinnen in einem psychologischen Nebel hineinagieren, wodurch der Zuschauer unbefriedigt zurückbleiben muss. Gerade auch weil Al Pacino sich hier als alter Gucci-Pate selbst parodiert, denkt man: Hätte man diesen italo-amerikanischen Stoff vielleicht doch besser Marty anvertraut, also dem Familienclan-Spezialisten Scorsese anstatt Ridley Scott, einem Altmeister der Bigger-than-Life-Unterhaltung, aber eben ohne psychologische Deutungskraft.

Gucci: Vom Ladengeschäft zum internationalen Edelkonzern

Und doch scheitert "House of Gucci" als Kinofilm nicht ganz. Denn dazu bleibt diese Familiensaga dann doch zu interessant: Hochstaplerisch ist schon der Mythos, den die Guccis von sich als bis ins Mittelalter zurückreichende Ritterfamilie verbreiten, obwohl sie eigentlich bis ins 20. Jahrhundert hinein toskansiche Viehbauern waren.

Und natürlich ist es auch spannend zuzusehen, wie aus einem Edel-Ladengeschäft zwischen Mailand und New York letztlich ein internationaler Edelkonzern wird, während in der Eigentümerfamilie mit allen Waffen und verschiedensten Demütigungen und Intrigen gekämpft wird - bis hin zur ruinösen Anschwärzung des eigenen Onkels bei der Steuerbehörde mit anschließendem Gefängnisaufenthalt.

Das alles bleibt eine große Tragikomödie oder auch komisches Drama, obwohl "House of Gucci" hierfür nicht die richtige, spannende Balance findet und man aus den Figuren nicht richtig schlau wird.


Kinos: Astor im Arri und im Bayerischen Hof, Cincinnati, Cinemaxx, Sendlinger Tor, Gloria, Solln, Neues Maxim, Rio Palast, Royal, Mathäser (auch OV) sowie City, Monopol (OmU) und Cinema, Museum (OV)
R: Ridley Scott (USA, 154 Min.)

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