Harry Dean Stantons letzter Film Lucky in der AZ-Filmkritik.

John Carroll Lynchs Regiedebüt „Lucky“ ist zugleich der letzte Film von Harry Dean Stanton und ein wunderbares Vermächtnis.
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Ein letzter Auftritt: Nach den Dreharbeiten zu „Lucky“ starb Harry Dean Stanton vergangenen Herbst mit 91 Jahren.
Alamode Ein letzter Auftritt: Nach den Dreharbeiten zu „Lucky“ starb Harry Dean Stanton vergangenen Herbst mit 91 Jahren.

AZ-Filmkritik: John Carroll Lynchs Regiedebüt "Lucky" ist zugleich der letzte Film von Harry Dean Stanton und ein wunderbares Vermächtnis.

Rauchen schadet der Gesundheit? Nicht der von Lucky. Der 90-Jährige pafft über eine Zigarettenpackung täglich und erfreut sich bester Gesundheit. Ein dürrer Typ, der in einem gottverlassenen Wüsten-Kaff ein beschauliches Leben führt und akribisch seine Rituale pflegt. Als er eines Tages plötzlich umkippt, macht er sich doch Sorgen um die knorrigen Knochen, auch wenn der Arzt ihn beruhigt, er sei nicht krank, sondern nur alt. Er registriert die Endlichkeit seines Seins und öffnet sich anderen Menschen, wird aber nicht unbedingt sanfter.

Es passiert wenig in diesem Film. Höhepunkt ist seine mexikanische Songeinlage. 

Es passiert wenig in diesem Film. Lucky macht morgens ein bisschen Yoga, hört Mariachimusik, wäscht sich, trinkt seinen Eiskaffee und geht erst einmal in den Diner. Wo er ein wenig plaudert und Kreuzworträtsel löst. Wieder Zuhause guckt er Gameshows ohne Ton, führt philosophische Telefongespräche, spielt auf der Mundharmonika. Und abends in der Bar schlürft er einen Bloody Mary und diskutiert mit den anderen Gästen über eine ihrem Herrchen (David Lynch) entlaufene Schildkröte. Eine Geschichte, wie sie absurder nicht sein könnte.

Der Eigenbrötler liebt es, mit Cowboyhut allein durch die verlorene Gegend zu streifen, seinen Kaktus in Feinripp-Unterwäsche zu wässern, mit der Supermarktbesitzerin ein wenig zu ratschen. Höhepunkt ist seine mexikanische Songeinlage auf einem Geburtstagsfest, die Ballade "Volver, Volver".

 Da ahnt man Wehmut und nie erfüllte Sehnsucht, ein Mann, der trotz Alltäglichkeit ein Geheimnis in sich trägt und sich mit dem Leben versöhnt. Ein berührender Moment, in dem Lucky nicht mehr allein ist, sondern Teil einer Gemeinschaft.

Schauspieler John Carroll Lynch hat in seinem Regiedebüt die bärbeißige aber herzensgute Titelfigur Harry Dean Stanton mit seinem darstellerischen Minimalismus 100 prozentig auf den Leib geschrieben, eine Hommage und ein bewegendes Adieu an diesen einzigartigen Schauspieler, der seit den 1950er Jahren in mehr als 200 Filmen mitspielte, unvergesslich seine Rolle als Travis in Wim Wenders‘ Meisterwerk "Paris, Texas". Einer, der immer das andere Amerika verkörperte, das Amerika der Säufer und Kiffer, Cowboys, Poeten und Einzelgänger. Einer, der seine Verletzlichkeit kaschierte und in die Illusion von Unabhängigkeit flüchtete.

Harry Dean Stanton starb kurz nach den Dreharbeiten 

Harry Dean Stanton starb am 15. September 2017 im Alter von 91 Jahren. Eine unvergessliche Kultfigur. David Lynch, der Stanton in vielen seiner Produktionen besetzte, darunter in "Wild at Heart", "Inland Empire" und "Twin Peaks", spricht wohl uns allen aus der Seele, wenn er sagt: "You are really going to be missed, Harry Dean!".


Kino: Museum, Monopol R: John Carroll Lynch (USA, 88 Min.)

 

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