Freiheit und Faustrecht: Hirschbiegels "Elser"
Hirschbiegels "Elser - Er hätte die Welt verändert" ist mehr als ein Porträt über den mutigen Mann aus dem Volk, der Hitler töten wollte
Hitler hat zig Attentate überlebt. Aber dieses eine, am 9. November 1939, kurz nach Kriegsbeginn, war ein ungeheurer Stachel. Hitler erklärte Georg Elser zum „Sondergefangenen des Führers“, so dass er erst April 1945, am Ende des Krieges, der über 50 Millionen Menschen das Leben kostete, von der SS im KZ Dachau erschossen wurde.
Der Attentäter als "ganz normaler" Held
Aber was war für Hitler das Ungeheuere? Es waren nicht die Kommunisten, es waren nicht fremde Geheimdienste, es war keine Verschwörung von Offizieren: Georg Elser war einer aus Deutschland, ein „kleiner Handwerker“, genau einer, der nach Propaganda, „Wohltaten“ und ersten Siegen unbedingt hätte an „Führer, Volk und Vaterland“ entsprechend der Mission des NS-Staates glauben müssen.
Oliver Hirschbiegel hat schon vor 10 Jahren den „Untergang“ verfilmt, der erfolgreich, aber umstritten war, weil er unvermeidlich die Sicht der im Führerbunker Eingeschlossenen transportiert hat. „Elser“ - mit dem gedankenspielerisch pathetischen Untertitel „Er hätte die Welt verändert“, ist jetzt ein packender Perspektivenwechsel um 180 Grad.
Das war für Hitler der psychishe "Untergang"
Denn „Elser“ ist ein aufrüttelnder Heimatfilm. In Königsbronn, in der schwäbischen Alb zwischen Augsburg und Stuttgart und am Bodensee lebt der Dreher und Schreiner Elser. Hier wird Musik gemacht, getanzt, geliebt, im See geschwommen. Und dieser Elser ist ein netter Sturschädel, frech, frei, fröhlich. Denn Jungsein fühlt sich immer jung an, auch in überschatteten Zeiten. „Ich bin ein freier Mann gewesen“, sagt Elser (Christian Friedel) dem Vernehmungsoffizier (Burghart Klaußner). Und als sich klar herauskristallisiert, dass Elser allein gehandelt hat, will der Gestapo-Beauftragte aus Berlin (Johann von Bülow) immer noch Hintermänner herausfoltern, denn Hitler ist aufgebracht: „Machen Sie Gebrauch von allem. Ich will wissen, wer die Anstifter sind, ich will wissen, wer dahinter steckt.“ Aber Elser ist ein stolzer Mann, der sich in brutaler Situation mit blutiger Stirn noch uneingeschüchtert den Witz erlaubt: „Na gut, ich gebe es zu: Mich hat Churchill angerufen und gesagt: Jag’ den Hitler in die Luft, wir allein schaffen das nicht!“
In Rückblenden zeigt der Film, wie die Provinz sich langsam braun einfärbt, die Elser-Familie durch ihre Religiosität und Georgs Sympathie mit dem Rotfrontkämpferbund aus der Gemeinschaft herausgedrängt werden, wie Kommunisten verhaftet, Juden und „Judenfreunde“ gedemütigt werden, wie erst NS-Lufthoheit, dann Faustrecht über den Stammtischen herrscht.
So ist Hirschbiegel eben weit mehr gelungen, als ein Geschichts-Thriller und das Porträt eines Mannes, der aus menschlicher Überzeugung und aus der Anschauung des alltäglichen Faschismus sich zum Handeln entschloss – und zeigt: Man hat alles wissen – und mit Mut – auch handeln können.
Kino: Arri, City, Mathäser, Solln R: O. Hirschbiegel (D, 113 Min)