Filmkritik: Atomic Blonde - Charlize Theron begeistert in der Comic-Verfilmung
Sie liegt in einer Badewanne voller Eiswürfel. Gesicht und Haare weiß wie die Wand. Der Körper übersät mit Platzwunden und Blutergüssen: Lorraine Broughton. Agentin Ihrer Majestät und eiskalte Kriegerin im Kalten Krieg, der im Berlin des Jahres 1989 scheinbar gerade zu Ende geht.
Wenige Wochen vor dem Mauerfall wird Lorraine vom MI6 dorthin geschickt, um einen Doppelagenten zu enttarnen. Während sich im Osten der Stadt Demonstrationen formieren, kämpft sich die Agentin durch den weit verzweigten Spionageuntergrund auf beiden Seiten der Mauer. Dabei werden die Verwicklungen zwischen KGB, MI6, BND und CIA immer unübersichtlicher, aber darauf kommt es in David Leitchs Agenten-Action-Film "Atomic Blonde" nicht an. Schließlich diente hier nicht ein sorgfältig recherchierter Roman von John Le Carré als Vorlage, sondern der Comic "The Coldest City" von Antony Johnston und Sam Hart, denen historische Fakten weniger wichtig sind als die Coolness der beinharten Heldin.
Charlize Theron spielt Lorraine mit platinblondem Pony-Bob, knallroten Stilettos, wechselnder Disigner-Trikotage und mörderischer Kompromisslosigkeit: eiskalt, kraftvoll austeilend. Aber sie kann auch brutal einstecken. Therons physische Präsenz ist das Herz des Actionfilms. Leitch hat sich in Hollywood vom Stuntman zum Regisseur hochgearbeitet und seine Kampfchoreographien haben nichts mit den durchdigitalisierten Schnittgewittern moderner Blockbuster zu tun. Wenn die Keilerei beginnt, tritt die Kamera erst einmal zurück, um die Arena zu zeigen, und wird dann selbst mit hoher Mobilität Teil des Kampfgeschehens.
Solche Szenen, die ans Hongkong-Kino der 90er erinnern, sind mit ihrer rohen Körperlichkeit nichts für Zartbesaitete, aber handwerklich furios. Die Wunden, die Lorraine im Kampf davon trägt, lassen Bruce Willis mit den paar Schrammen in "Stirb langsam" wie einen Simulanten erscheinen.
Unter den weiblichen Action-Ikonen, die von Scarlett Johanssons "Ghost in the Shell" bis zu Gal Gadots "Wonder Woman" die Leinwand erobern, ist Therons MI6-Agentin die kompromissloseste Figur, die keine idealistischen Ziele verfolgt, sondern nur ihren Job macht und den Männern zeigt, wo der Hammer hängt.
Zu ihrer ruppigen Coolness passt der schmuddelige B-Movie-Look des Films, der das Berlin der Wendezeit als farbentsättigte Kulisse inszeniert, um seine Heldin in gelbem, blauen oder pinkfarbenem Scheinwerferlicht zum Leuchten zu bringen. Unterlegt wird das durchgehend stilisierte und historisch unkorrekte Geschehen von einem lässigen 80er-Soundtrack, in dem von David Bowies "Cat People" bis zu Nenas "99 Luftballons" zeitgenössisches Songs gut eingesetzt wird.
Kino: Cinemaxx, Cadillac, Gabriel, Royal, Mathäser, Royal, Arri (OmU), Cinema, Museum (OV) Regie: D. Leitch (USA/D/S 115 Min)
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