Filmfest Venedig: Fragen zu Scientology und Buh-Rufe

Es ist ein heikles Thema, das sich Regisseur Paul Thomas Anderson da ausgewählt hat. Ein Film, der von einer Sekte erzählt und Parallelen zur Geschichte von Scientology aufweist.
dpa |
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Venedig -  Anderson druckste am Wochenende beim Filmfestival Venedig dann auch ziemlich herum und gab sich dazu eher wortkarg.

Ja, der Charakter seiner Hauptfigur in "The Master" basiere auf Ron Hubbard, räumte Anderson erst auf Nachfrage ein. Und ja, die Anfänge der Scientology-Bewegung hätten ihn als Hintergrund seiner Geschichte inspiriert. Viel mehr wollte er dann aber nicht sagen. Aus Angst, wie Festivalgänger auf dem Lido vermuteten.

"The Master" erzählt von einem Sektenführer, der den Schlüssel zum Glück der Menschen gefunden haben will. Mit Hilfe der Vorstellungskraft sollen diese in ihre früheren Leben reisen und Fehler beheben können. Sogar schwere Krankheiten sind so angeblich heilbar, verspricht der "Meister". Anderson platziert die Geschichte in den 1950er Jahren - in dieser Zeit wurden auch Ron Hubbards Ideen erstmals verbreitet. Auf dessen Theorien geht die Scientology-Organisation zurück, die sich selbst als Kirche bezeichnet, von ihren Kritikern aber als gefährliche Sekte angesehen wird. "Es gibt sehr viele Ähnlichkeiten zu den Anfangsjahren der Dianetik", bestätigte der 42-jährige Anderson. Er habe den Film auch Tom Cruise, einem bekennenden Scientologen, gezeigt. Mehr wolle er darüber aber nicht verraten.

Stattdessen versuchte der Regisseur, den Schwerpunkt des Films von einer Sekte wegzurücken. "Wir wollten die Liebesgeschichte zwischen den beiden Männern erzählen", betonte er. Tatsächlich gibt es homo-erotische Momente zwischen dem "Meister" (Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman) und seinem engen Vertrauten (Joaquin Phoenix) - allerdings sehr, sehr zaghaft angedeutet. So vorsichtig eben wie die gesamte Story des Films. Das wiederum ist dann auch der Schwachpunkt von "The Master". Als Kritik an einer Sekte - welcher auch immer - ist er zu schwach, entblößt er doch zu wenig Schwächen in dem Gedankengut und den Handlungen.

Wirklich enttäuscht waren viele aber von Terrence Malicks neuem Werk "To the Wonder". Auch wenn die Geschichte klarer strukturiert und erzählt ist als Malicks Cannes-Gewinner "The Tree of Life", gab es nach der ersten Vorführung am Sonntag neben Bravo- auch laute Buh-Rufe. Sicher, er findet erneut wunderschöne, kunstvoll komponierte Bilder. Doch das wiederholt sich, immer wieder tanzt eine Frau durchs Bild, immer wieder schimmern Sonnenstrahlen durchs Haar. Setzte Malick "The Tree of Life" noch in einen philosophischen Kontext um die Entstehung der Welt, fehlt solch eine Ebene hier nun fast ganz.

Auch Malick fehlte. Mal wieder. Schon in Cannes hatte sich das öffentlichkeitsscheue "Regie-Phantom" nicht blicken lassen, auch in Venedig schickte er lieber seine Produzenten. Seine prominenten Darsteller Rachel McAdams, Javier Bardem und Ben Affleck ließen sich ebenfalls nicht blicken.

Etwas mehr Prominenz brachte dafür die Dänin Susanne Bier mit: Pierce Brosnan, der als James Bond einst Gangster verfolgte, jagt in der Tragikomödie "Love Is All You Need" der Liebe hinterher. In Venedig, wo der Film außer Konkurrenz läuft, erschien Brosnan gut gelaunt und braungebrannt, gab sich aber auch ernst. "Ich habe mich sofort zu dem Drehbuch hingezogen gefühlt", sagte er über den Film, in dem eine Frau an Krebs erkrankt. "Ich habe meine eigene Frau wegen Krebs verloren, ich weiß, wie sich Schmerz im Leben anfühlt." Brosnans Ehefrau Cassandra Harris war 1991 gestorben. Seit mehr als zehn Jahren ist Brosnan mit Keely Shaye Smith verheiratet.

Überhaupt gab es in der ersten Festivalhälfte viel Schmerzhaftes zu sehen. Meist waren es krisengeschüttelte Beziehungen, Paare, die sich auseinandergelebt hatten. Dabei setzten die Filme mit deutscher Beteiligung mit die stärksten Akzente: Franziska Petri gab in dem russischen Wettbewerbsbeitrag "Betrayal" einprägsam eine betrogene Ehefrau, die langsam wieder ihren eigenen Weg im Leben findet. Und der Österreicher Ulrich Seidl lieferte mit "Paradies: Glaube", einer deutschen Koproduktion, die wohl radikalsten Bilder für ein Paar im religiös gesteuerten Kleinkrieg. Ein klarer Favorit auf den Hauptpreis, den Goldenen Löwen, ist allerdings noch nicht dabei - das wird sich erst in den kommenden Tagen entscheiden.

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