Fauler Filius und Neurosen

Patrice Lecontes Komödie mit Christian Clavier "Nur eine Stunde Ruhe" entlarvt die Bougeoisie
Margret Köhler |
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Patrice Lecontes Komödie mit Christian Clavier "Nur eine Stunde Ruhe" entlarvt die Bougeoisie

Wer kennt das nicht? Da beginnt ein Tag, wie er besser nicht sein könnte, und dann driftet alles in einen Albtraum. Genau das passiert dem 60-jährigen Zahnarzt Michel Leproux, der auf dem Flohmarkt eine seltene Jazz-Platte ergattert und gerne ein paar Euro zu viel dafür zahlt.

Der Titel „Me, Myself and I“ passt genau auf diesen Egoisten, der nur eines will: für sich allein die Musik genießen. An diesem Samstag eine Unmöglichkeit.

Seitensprünge und Tür auf Tür zu wie beim Boulevardtheater

Die Gattin beichtet ihm plötzlich eine Uralt-Affäre, seine vernachlässigte Geliebte und beste Freundin seiner Frau steht mit Gewissensbissen vor der Tür, der faule Filius schleppt eine Gruppe von „Sans Papiers“ an, die angeheuerten Schwarzarbeiter sorgen für einen Wasserschaden, das vom nervigen Nachbarn organisierte Hausfest wird wegen Regen in seine Wohnung verlegt, und die widerborstige spanische Zugehfrau könnte einem Almodóvar-Film entsprungen sein. Keine Ruhe, nirgends.

Patrice Leconte verfilmt Florian Zellers Bühnenvorlage als Boulevardtheater: zeitlos, leicht verständlich und mit populärem Humor, dazu erotische Verwicklungen, Türenschlagen und Rennen von einem Raum in den anderen. Nur wenige Szenen spielen außerhalb der Wohnung. Die böse und gleichzeitig herzliche Komödie kann sich auf ein tolles Personal stützen. Allen voran Christian Clavier („Monsieur Claude“), der souverän zwischen Bonvivant und Menschenfeind à la Molière wechselt, seine leicht depressive Ehefrau (Carole Bouquet) mit einem heißen Bad bei Laune halten will und vergeblich versucht, seine hysterische Gespielin zu beruhigen.

Die diskrete Doppelmoral der Bourgeoisie

Leconte nimmt bei alledem die Doppelmoral der Bourgeoisie aufs Korn, ein Hort der Lüge und des schönen Scheins, und spielt mit Vorurteilen; so entpuppt sich der fleißige polnische Handwerker als „unfähiger“ Portugiese, und das Nachbarschaftsfest sorgt nicht für Friede, Freude, Eierkuchen, sondern provoziert Unfrieden und Frust bei Polonäse mit Gesang.

Wenn es am Ende des Chaos-Tages überraschend eine unverhoffte Verschnaufpause gibt, liebt man diesen verrückten Haufen – und vor allem den Mann, der eigentlich doch nur von einer Stunde Ruhe träumte.

Kino: Isabella, Eldorado, Cinemaxx, Leopold, Mathäser und Astor Cinemalounge sowie Theatiner (OmU) R: Patrice Leconte (F, 80 Min.)

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