Es geht immer nur um den Stoff
Mode, Drogen, Film: Jalil Lespert über sein wildes Kinoporträt „Yves Saint Laurent“
AZ: Monsieur Lespert, warum ausgerechnet ein „Biopic“ über Yves Saint Laurent?
JALIL LESPERT: Ich lasse mich vom Lustprinzip leiten. Mich interessierte eine französische Geschichte, die nichts mit meinen vorherigen Filmen zu tun haben sollte. Dann habe ich doch eine Gemeinsamkeit entdeckt: den Glauben an den Menschen als soziales Wesen. Allein ist man ein Nichts. Wir brauchen den anderen, auch wenn es mal schmerzhaft ist. Das beweist die Lebensgeschichte von Saint Laurent. Ich bin kein großer Fan von Biopics und habe auch wenig Ahnung von Mode. Da kamen zwei unbekannte Dinge zusammen und mein Ehrgeiz war geweckt.
Was fasziniert Sie an dieser Persönlichkeit?
Die grandiose Leidenschaft und Kreativität. Jemand, der der Sonne zu nahe kommt, verbrennt sich irgendwann die Flügel wie Ikarus. Saint Laurent war süchtig nach Arbeit, Perfektion und Schönheit, aber auch nach Sex, Drogen und Medikamenten. Alles zusammen putschte ihn auf, machte ihn wohl zu einem der größten Modeschöpfer. Trotz seines Erfolges zweifelte er an seinem Genie. Er war verletzbar und verletzend, schüchtern und selbstzerstörerisch, nach Liebe suchend und untreu. Mich reizte der Mann hinter dem Markenlabel mit seinen Widersprüchen und seiner inneren Gebrochenheit.
Wieso die Konzentration auf die Jahre 1956 bis 1976?
Das waren die verrücktesten Jahre in seiner Karriere, eine Zeit des Umbruchs. Und er war mittendrin, strahlte klassische Eleganz aus und revolutionierte die Haute Couture, verband Zeitgeist und Kunst, griff das Lebensgefühl auf.
Was verbindet Filmkunst und Haute Couture?
Beide sind eine Industrie, auch wenn wir das weit von uns weisen. Auf der einen Seite glauben sich Modeschöpfer und Regisseure frei, auf der anderen stehen Abhängigkeit von wirtschaftlichen Zwängen und der Gunst der Mode- beziehungsweise Kinokartenkäufer. Der eine geht vom Design aus, der andere vom Drehbuch, aus einem „Stoff“ wird etwas Neues. Mode wie Film reflektieren Zeitströmungen, lassen sich inspirieren von Malerei oder Musik. Das fertige Produkt ist in beiden Bereichen eine Kombination von Kunst und Handwerk und erfordert Teamwork, um Außergewöhnliches zu erreichen.
Ihr Film dreht sich primär um die Beziehung zwischen Saint Laurent und dessen Lebensgefährten Pierre Bergé.
Bergé ist ein sehr gebildeter Mensch, der Saint Laurent bis in den letzten Seelenwinkel kannte. Er hat sich immer durchbeißen müssen, in den 1940er Jahren schwul zu sein, dazu brauchte es schon Mut und Willenskraft. Bergé kam aus bescheidenen Verhältnissen und beide mussten sie um ihre Träume kämpfen. Mich bewegt die Frage, was brachte sie dazu, sich zu lieben und eine lebenslange Partnerschaft trotz aller Probleme zu führen? Mit dieser aufregenden Liebesgeschichte und den starken Gefühlen kann sich der Zuschauer identifizieren.
Sie führen Regie und arbeiten auch als Schauspieler. Wie passt das zusammen?
Ich habe früh als Schauspieler Erfahrungen bei Serien, TV-Movies und Spielfilmen gesammelt und wusste, was mich erwartete. Die Regie kam dazu, das eine profitiert vom anderen. Bei meinem ersten Spielfilm gab mir Costa-Gavras den Rat, nicht zu jammern – der zweite sei noch schwieriger, vom dritten ganz zu schweigen. Es sei üblich, Budgets um 30 Prozent zu kürzen. Seine Warnung habe ich immer im Hinterkopf und bin für alle Überraschungen gewappnet.
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