Interview

"Ernährt mich bis heute": Ein Film prägte Roland Emmerichs Karriere besonders

Er studierte an er Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. Dann ging der Schwabe nach Hollywood und lieferte Blockbuster. Bis heute fühlt er sich teilweise verkannt.
von  Adrian Prechtel
Roland Emmerich auf Heimatbesuch beim Carl-Laemmle-Produzentenpreis mit seinem Mann Omar Soto.
Roland Emmerich auf Heimatbesuch beim Carl-Laemmle-Produzentenpreis mit seinem Mann Omar Soto. © picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Im Hotel Mandarin Oriental ist Roland Emmerich kurz für seinen Münchenbesuch einquartiert. Er wirkt aufgedreht und erschöpft zugleich und erzählt, gestern hätte er lange in der Osteria in der Schellingstraße an einem großen Tisch gefeiert. Jetzt fällt er beim Reden nach wenigen deutschen Sätzen mit schwäbischem Akzent sofort ins Englische mit deutschem Akzent, sodass sich eine wilde Sprachmischung ergibt. Am 10. November ist sein 70. Geburtstag. "Ich habe auf meinem Grundstück ein eigenes Partyhaus mit separatem Eingang, damit die Gäste nicht den Rest meines Hauses verwüsten. Zu meinem Geburtstag lade ich 120, 130 Gäste zum Abendessen ein und danach wird richtig gefeiert – mit DJ und allem, was dazu gehört", erzählt er.

AZ: Herr Emmerich, wenn man Ihre Wohnungen besucht, gibt es in Los Angeles, London oder Rom immer ein Zebra als Dekorationsobjekt. Warum?
ROLAND EMMERICH: Ich war öfter auch in Afrika – und immer haben mich diese Tiere fasziniert. In manchen meiner Häuser habe ich nur einen Zebrakopf. Aber in den Häusern in Los Angeles und London steht ein ganzes ausgestopftes Zebra. Pferde mit Streifen – elegant und auch ein bisschen damit getarnt. Ich mag es, wenn es etwas skurril ist oder verrückt ausschaut. Ich sammle auch "kommunistisches Porzellan": also Büsten, Teller oder Tassen von Mao oder Lenin.

Ein gigantisches Ufo bedroht New York , die Aliens wollen die Menschen vernichten. Filmszene aus Roland Emmerichs "Independence Day".
Ein gigantisches Ufo bedroht New York , die Aliens wollen die Menschen vernichten. Filmszene aus Roland Emmerichs "Independence Day". © picture-alliance / dpa

Gibt es da eine Idee dahinter?
Begonnen hat es mit einem Teeservice für mein Haus in London, das ich auf einem Flohmarkt gekauft habe. Verrückterweise füllen viele meiner Skurrilitäten mittlerweile sechs Stockwerke. Und ich habe jetzt – weil ich nicht jünger werde – einen Lift einbauen lassen, sodass ich immer alles besuchen kann.

Sie haben öfter erwähnt, dass Sie in Deutschland schlecht behandelt wurden, als Ihr erster Film herauskam.
Ich bin insgesamt von der Presse schlecht behandelt worden. Ich bin Anfang der 90er Jahre nach Los Angeles gegangen, weil ich von der deutschen Presse mehr oder weniger vertrieben worden bin. Der Vorwurf war, dass ich "amerikanische Filme" mache. Ich hatte "Joey", "Hollywood Monster" und "Moon 44" auf Englisch gedreht, um sie finanziert zu bekommen. Ich glaube, dass Erfolg die Journalisten provoziert und es sie ärgert, dass nicht sie über den Erfolg bestimmen können. Und vielleicht habe ich ja mit meinen Filmen Recht und nicht sie. Erfolg ist ein Faktum, Meinung nicht.

„Es ist die Tragödie eines Mannes, der sich nicht öffentlich ausdrücken kann, sondern aus gesellschaftlichen Gründen ein Versteckspiel spielen muss“, sagt Roland Emmerich über seinen Shakespeare-Film „Anonymous“ mit Vanessa Redgrave und Rhys Ifans.
„Es ist die Tragödie eines Mannes, der sich nicht öffentlich ausdrücken kann, sondern aus gesellschaftlichen Gründen ein Versteckspiel spielen muss“, sagt Roland Emmerich über seinen Shakespeare-Film „Anonymous“ mit Vanessa Redgrave und Rhys Ifans. © imago images/Mary Evans

Aber was hat denn die Presse von Ihnen erwartet?
Keine Ahnung. Vielleicht wollten sie, dass ich mein Talent für intellektuellere Sachen einsetze. Aber ich habe ja auch Filme wie "Anonymous" über Shakespeare gemacht, der mein persönlichster, mein liebster Film ist. Es ist die Tragödie eines Mannes, der sich nicht öffentlich ausdrücken kann, sondern aus gesellschaftlichen Gründen ein Versteckspiel spielen muss. Oder "The Patriot" über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Und der Film "Stonewall" über den Beginn der Gay-Pride-Proteste in New York um die Christopher Street: Das alles ist eben auch die andere Seite von mir.

Wenn "Anonymous" tragisch ist und ihr persönlichster Film, was ist dann Ihre Tragik?
Dass ich immer eine Message habe, aber die wird immer bei der Betrachtung hintangestellt: Nehmen wir "Independence Day": ein schwarzer Pilot, ein jüdischer Techniker und ein Präsident, der beim Volk unbeliebt ist, retten die Welt. Der umweltpolitische Film "The Day after Tomorrow" ist zwar Popcornkino, aber mit einer wichtigen Botschaft. Und "2012" ist einfach eine Satire mit der Sintflut-Geschichte im Heute – und wo werden technisch die neuen Archen für je Hunderttausende gebaut? In China! Worauf der US-Politiker sagt: Ich dachte, das ist unmöglich. Ich und mein langjähriger Co-Autor Harald Kloser haben uns jedenfalls beim Schreiben schlapp gelacht.

Roland Emmerich in seiner Villa in Los Angeles, wo er seinen Geburtstag feiert.
Roland Emmerich in seiner Villa in Los Angeles, wo er seinen Geburtstag feiert. © SWR/Beetz Brothers

Was ist der Unterschied, ob man als Regisseur 15 Millionen oder 150 Millionen Dollar Budget zur Verfügung hat?
Der Faktor zehn. Aber ich habe mit 139 Millionen Dollar zehn Episoden über das Gladiatorenleben und die römische Dekadenz und Grausamkeit abgedreht – mit einem gigantischen Set, und einem Kolosseum mit zig Etagen Unterbau. Es sieht alles aus, als hätte der Dreh 250 Millionen Dollar gekostet, aber man dreht da halt schneller – wie ich hier im Zusammenspiel mit Marco Kreuzpaintner.

"Ich wurde Amerikaner und bin wieder froh auch Deutscher zu sein"

Sie sind jetzt 70 Jahre, kommen aus Schwaben, sind ganz oben gelandet. Lag das auch daran, dass Ihre Familie Sie von Anfang an unterstützt hat? Ihr Vater, ein mittelständischer Unternehmer aus Sindelfingen, soll gesagt haben, als Sie zum Film gehen wollten: "Einen Künstler können wir uns in der Familie leisten."
Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Als ich, nach "Independence Day" zum ersten Mal wirklich groß im Spiel war und ein großes Stück vom Filmbusiness-Kuchen hatte, meinen Vater anrief und ihm die Summe sagte, fiel ihm wirklich der Hörer aus der Hand und zurück auf die Gabel. Aber er rief gleich wieder zurück und beriet mich, wie ich das erwirtschaftete Geld anlegen sollte. Also er hatte da nur einen ökonomischen Zugang zu mir als Künstler, aber keinen persönlichen. Er war einfach platt, dass er mit seinen eigenen Tätigkeiten niemals solche Summen würde erwerben können. Und: Dieser Film ernährt mich bis heute.

Roland Emmerich auf Heimatbesuch beim Carl-Laemmle-Produzentenpreis mit seinem Mann Omar Soto.
Roland Emmerich auf Heimatbesuch beim Carl-Laemmle-Produzentenpreis mit seinem Mann Omar Soto. © picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Sie haben die Wahl von Donald Trump als "ärgerlich, erschütternd und extrem irritierend" bezeichnet. Was hat das mit Ihrem "Amerikanersein" gemacht?
Als Obama gewählt wurde, habe ich mir gedacht: Jetzt werde ich auch Amerikaner und war bereit, den Schwur auf Amerika abzulegen. Jetzt bin ich wieder froh, auch Deutscher zu sein.

Sie planen den Science-Fiction-Film "Exodus", was nach einem biblischen Thema klingt.
Der Film hat aber nichts mit der Bibel zu tun. Es geht um Klimawandel und Erderwärmung. Aber das Projekt liegt auf Eis. Solange in den USA der Klimaleugner Trump regiert, aber in den USA rund 40 Prozent eines Einspielergebnisses erzielt werden muss, hat es keinen Sinn, den Film jetzt zu machen.

Sie haben lange Ihre Homosexualität nicht öffentlich gemacht.
Ich wollte nicht "der schwule Regisseur" sein, auch weil das zu Action und Science-Fiction von außen gesehen schlecht passt. Außerdem habe ich die Zeit erlebt, wo die Gleichung hieß: Sex = Tod, weil Aids gewütet hat. Und meine Eltern waren doch sehr konservativ. Jetzt bin ich seit über acht Jahren glücklich verheiratet und liebe meinen Mann.

"Meister der Apokalypse - Roland Emmerich", ist am 10. November 23.35 Uhr, in der ARD und bereits in der Mediathek

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