Ein "Familienfest" zum Fürchten
Es passiert sehr selten, dass ein TV-Film über den Umweg einer herausragende Festivalresonanz zuerst ins Kino findet. „Dampfnudelblues“ war so ein Beispiel, nun folgt „Familienfest“. Thomas Vinterbergs Dogma-Film „Das Fest“ (1998) war thematische Inspiration für diesen Film, den man so schnell nicht vergisst.
Zum 70. Geburtstag des berühmten Pianisten Westhoff (Günther Maria Halmer) lädt seine harmoniesüchtige Gattin (Michaela May) die drei Söhne mit Begleitung ein – und die alkoholkranke Ex (Hannelore Elsner). Lars Kraumes („Der Staat gegen Fritz Bauer“) eigentlich für Götz George gedachte Tragikomödie besticht mit geschliffenen Bosheiten (Drehbuch: Andrea Stoll, Martin Rauhaus).
Die Dialoge sind so scharf wie bei Yasmina Reza
Die Dekonstruktion einer Familie entwickelt bisweilen die Dialogschärfe von Yasmina Reza. Als Mittelpunkt des familiären Gemetzels macht Günther Maria Halmer von der ersten Sekunde an vergessen, dass er „Ersatz“ ist. Er gibt den ebenso herrischen wie selbstbezogener Künstler, dessen Karriere sich alle unterzuordnen hatten, mit störrischer Vehemenz. Das hat zu schweren seelischen Verletzungen der Söhne geführt, die nie die hohen Ziele des Vaters erfüllen konnten. So fahren sie nicht gerade in Vorfreude in die Villa des alten Tyrannen: Frederik (Barnaby Metschurat) hat Angst, dem Vater den schwulen Lebensgefährten zu präsentieren, Gregor (Marc Hosemann) braucht mal wieder Geld und Max (Lars Eidinger) nimmt nach einem Autounfall die Krankenschwester (Jördis Triebel) mit, die seine Freundin spielen soll.
Auf Harmonie aber legt der feingeistige Pianist, der seine Frau regelmäßig geschlagen hat, nicht den geringsten Wert. „Das Familienfest“ fesselt mit einem großartigen Ensemble, das höllischen Spaß am abgründigen Spiel hat.
Kino: Atelier
- Themen:
- Hannelore Elsner
- Michaela May