Die Rache der Abgezockten

Von Jodie Foster kommt Finanzkritik, aus Rumänien und Frankreich eher unkonventionelle Kost
Adrian Prechtel |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Wird von einem enttäuschten Anleger bedroht: George Clooney (Mitte) als Finanz-Entertainer in „Money Monster“.
dpa/Festival von Cannes Wird von einem enttäuschten Anleger bedroht: George Clooney (Mitte) als Finanz-Entertainer in „Money Monster“.

Es ist die Hollywood-Version des französischen Links-Manifests „Empört Euch“, das vor fünf Jahren extremes Aufsehen erregte. Der kommunistische Philosoph Stéphane Hessel – damals über 90 Jahre alt – inspirierte mit seinem Millionen-Seller die Occupy-Bewegung und passte damit sogar ins Netzzeitalter. Schon der Titel von Jodie Fosters Film ist Programm: „Money Monster“. Und hierfür hat sie, Hollywoods bestbezahlte, offen lesbische Ikone, den Löwen vom Lido hergelockt: George Clooney. Der schien eigentlich dem Venezianischen Festival Treue geschworen zu haben.

Jetzt haben Foster und Clooney – die Inbegriffe des liberalen Amerikas – zusammen einen Anti-Investment- und Hedge-Fonds-Film gedreht. Clooney verkörpert darin den TV-Master einer Anlageberatungsshow. Ein charmanter Typ, aber durchaus auch schmierig und Teil des großen Finanzweltspiels. Eines Tages kapert ein junger, abgebrannter Typ seine Liveshow. Mit Pistole und Bombe im Gepäck, schreit er seinen Hass auf die Finanzwelt heraus.

In einem europäischen Film würde man diesen Typen als einen heldenhaften Aktivisten darstellen. In der US-Version eben auch als jemanden, der mitgezockt hat und sein ganzes, mit Mindestlohn erarbeitetes Geld in eine Empfehlung vom „Money Monster“ Clooney steckte. Jetzt wird das Spiel ums Geld zu einem um Leben und Tod. Julia Roberts versucht als Produzentin der Show, hinter den Kulissen die Sache zu deeskalieren. Hier wird der Film auch zu einer sarkastischen Mediensatire, weil eben die Kameras drauf bleiben und immer mehr Zuschauer einschalten, um dieses tödliche Spiel mitzuverfolgen. Sie sehen es als eine Form des Entertainments mit besonderem Kick.

„Money Monster“ ist in seiner klaren Feindbild-Ausrichtung und extrem spannender Dramaturgie bejubelt worden – vielleicht etwas zu blind. Das liegt auch daran, dass das Festival hier bisher den Zuschauern nach Woody Allens Entspannungsnostalgie nur europäisches Hardcore-Kunstkino geboten hat: eine dreistündige rumänische Tragikomödie, die fast ausschließlich in einer einzigen Wohnung spielt. Hier wird 40 Tage nach dem Tod des Vaters traditionell noch einmal eine Hausmesse gelesen und gemeinsam gegessen. In einer italienischen Version wäre das Ganze sicher amüsant-grotesk geworden, aber wir sind östlicher, also härter und melancholischer. Außerdem lastet noch die postkommunistische Vergangenheitsbewältigung auf der Großfamilie.

So ist der Film von Cristi Puiu mit dem unsinnigen Titel „Sieranevada“ ein ruhiger und wilder Film gleichzeitig geworden, keine Minute langweilig und ein gutes Spiegelporträt, in dem wir in vielen Figuren eigene Freunde, Verwandte oder gar uns selbst wiederfinden.

Kurz vor Fosters „Money Monster“-Perfektionsrausch irritierte mit „Rester Vertical – aufrecht bleiben!“ der erste französische Beitrag im Wettbewerb: Ein junger Stadtmensch begibt sich auf die Spur von Wölfen, schwängert dann eine Schäferin, die das Kind nicht will, und streunt als Bisexueller heimatlos umher.

Er gerät in eine surreale Märchensituation und ist am Ende von einem Wolfsrudel umzingelt, ein Lamm in den Armen. In Alain Guiraudies Film ist alles sehr spinös, sehr sexuell und leider zu befremdend, um zu begeistern... Aber das können halt die Amerikaner dann doch besser.    

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.