"Die My Love": Jennifer Lawrence schwankt zwischen Hin- und Aufgabe

Schonungslos spielt Jennifer Lawrence in "Die My Love" eine Mutter mit postpartaler Depression. Ein Thema, mit dem sich die Oscarpreisträgerin sehr gut auskennt.
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Gefühlschaos: Jennifer Lawrence in "Die My Love".
Gefühlschaos: Jennifer Lawrence in "Die My Love". © © MUBI Credit Kimberly French

Was geht in einer jungen Mutter vor, die sich nach der Geburt ihres ersten Kindes mit einer postpartalen Depression konfrontiert sieht? Das Drama "Die My Love" mit Jennifer Lawrence (35) und Robert Pattinson (39), das am 13. November in die deutschen Kinos kommt, geht dieser Frage schonungslos nach. Der klassischen Unterhaltung dient Lynne Ramsays Verfilmung des Romans von Ariana Harwicz nicht - sehr wohl aber einer wichtigen Lehrstunde in Sachen Empathie.

Tristesse statt Familienidylle - darum geht es

Das junge Paar Grace (Lawrence) und Jackson (Pattinson) ist gerade in ein altes Haus auf dem Land gezogen. Mit dem Ziel, eine Great American Novel zu schreiben, richtet sich Grace in ihrer neuen Umgebung ein. Doch schon bald bekommen die beiden ein Baby und ihr Leben ändert sich radikal. Während Jackson verdächtig häufig abwesend ist und der Druck des Familienlebens immer stärker auf Grace lastet, beginnt sie zusehends zu zerfallen - und hinterlässt eine Spur der Verwüstung.

Ihr persönlichster Film

Dass Jennifer Lawrence keine Eitelkeiten kennt, wenn sie in einer Rolle aufgeht, hat sie schon viele Male in ihrer oscarprämierten Karriere gezeigt. So roh, zuweilen gar animalisch wie in "Die My Love" hat man sie jedoch noch nie gesehen. Immer wieder kriecht sie darin einem Raubtier gleich über den Boden - als wüsste sie gerade selbst nicht, ob sie zum Kehl- oder zum Liebesbiss ansetzen will. In anderen Szenen zeigt sie sich wiederum fürsorglich, verletzlich und von Selbstzweifeln getrieben.

Dass sie nach der Geburt ihres zweiten Kindes wie Hauptfigur Grace unter einer postpartalen Depression litt, sprach die Schauspielerin im Rahmen ihres neuen Films mehrfach in Interviews an. So dachte sie bei ihrem 2025 zur Welt gekommenen Sohn "jedes Mal, wenn er schlief, dass er tot sei", so die Oscarpreisträgerin im Gespräch mit "The New Yorker". "Ich dachte, er weint, weil er sein Leben, mich oder seine Familie nicht mag. Ich dachte, ich mache alles falsch und würde meine Kinder zerstören."

Eine Filmmacherin mit Vorliebe für Bildsprache und schwere Stoffe

Regisseurin Lynne Ramsay nimmt sich gerne schwerer Themen an. Das bewies sie bereits mit der Verfilmung des Amok-Romans "We Need to Talk About Kevin", im 2018 erschienenen Rache-Film "You Were Never Really Here" mit Joaquin Phoenix ging es um Sexhandel und Kinderschänder.

Mit letztgenanntem Film eint "Die My Love", dass beide Werke nicht auf eine stringente Erzählstruktur und mehr auf ausdrucksstarke Bildsprache setzen. Ganz die Ausmaße eines Terrence Malick nimmt das zwar nicht an. Es finden sich aber deutliche Parallelen hinsichtlich der bevorzugten Ästhetik des "The Tree of Life"-Regisseurs, der sein Publikum oftmals lieber erleben, denn wirklich verstehen lässt.

Wem können wir überhaupt trauen?

In ihrem neuen Film wendet Ramsay einen kreativen Kniff an, den Zuschauerinnen und Zuschauer zuletzt etwa bei Florian Zellers "The Father" gesehen haben. Wie in dem Demenz-Drama von 2020 erleben wir in "Die My Love" die Welt durch das Gefühls-Kaleidoskop der betroffenen Person. Aus Graces postpartalen Depression entwickelt sich im Verlauf des Films zunehmend eine Psychose, die das Publikum sozusagen am eigenen Leib zu spüren bekommt.

Diese verzerrte Wahrnehmung wird etwa durch auditive Sinneseindrücke dargestellt. Ständig surrt und summt etwas lautstark im Hintergrund, der von Jackson angeschaffte und dann vernachlässigte Familienhund scheint 24/7 zu bellen und zu winseln. Ist das wirklich der Fall? Darüber kann das Publikum nur spekulieren. Grace jedenfalls nimmt es so wahr - und wir mit ihr.

Zwar ist "Die My Love" im Kern eine beeindruckende One-Woman-Show von Lawrence, doch Pattinson bekommt ebenfalls Gelegenheit, sein schauspielerisches Können unter Beweis zu stellen. Auch der Kindsvater ist von der Situation zunehmend überfordert, schwankt zwischen Liebe für seine Familie bis hin zu Momenten, in denen er ihr regelrechte Abscheu entgegenzubringen scheint - wohlgemerkt auch das wieder aus der Perspektive von Grace. Die beklemmende Botschaft: Manchmal hält das Leben für einen Herausforderungen parat, in denen jeder der Beteiligten gefühlt nichts richtig, aber sehr viel falsch machen kann.

Fazit

Vor dem Gang ins Kino sollte jedem klar sein, dass "Die My Love" wahrlich nicht den Anspruch hat, der Unterhaltung zu dienen. Sehenswert ist der Film trotzdem, eben weil er wie "The Father" hilft, das Verhalten und die Ängste betroffener Personen, in diesem Fall eine junge Mutter mit postpartaler Depression, besser nachvollziehen zu können. Dass es mit einem letztendlich empathielosen "Reiß dich doch einfach zusammen!" eben nicht getan ist, im Gegenteil.

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