Die Liebe schlägt zu!

Lecken, küssen, prügeln, bluten: Lana Cooper und Franz Rogowski sind das fulminanteste Kinopaar des Jahres, in „Love Steaks“ von Jakob Lass.
von  Michael Stadler

Lana Cooper und Franz Rogowski als das fulminanteste Kinopaar des Jahres:  „Love Steaks“
 
Zunächst kommt Clemens zu seinem neuen Job zu spät, was sofort registriert wird. Immerhin soll er in diesem Luxushotel an der Ostsee als Masseur den Exzellenz-Ansprüchen der Gäste und des Hotels gerecht werden. Clemens aber ist ein Zu-Spät-Kommer, ein wenig aus der Reihe, etwas aus dem Takt. Später rutscht er öfters auf den Böden im Wellness-Bereich aus, die von ihm meist selbst glatt gewischt wurden. Auch mit den Objekten kämpft er, was insgesamt fast ein wenig retro wirkt, Slapstick, ganz alte Komödienschule.

Franz Rogowski hat das souverän drauf, diesen gehemmten Neuling zu spielen, der noch keinen festen Boden unter den Füßen hat und von anderen Mitarbeitern erstmal in die Kunst der Ayurveda-Massage eingewiesen wird. Ausrutscher sind kaum erlaubt, besonders nicht im Dienstleistungsbereich. Aber in "Love Steaks" geht es gerade darum, sich dem Fluss zu widersetzen, gewollt oder auch ungewollt, weil den Unangepassten der Ausbruch sowieso irgendwie passiert, auch wenn man dann gar nicht weiß, welche Zukunft sie in unserer durchregulierten Arbeitswelt haben sollen. Immerhin machen sie den alltäglichen Rhythmus spannender, was sich auch im Schnitt spiegelt, in eingestreuten Jump-Cuts, also Schnitten, die Handlungen sprunghaft abkürzen, ihnen mehr Drive geben.

Bei aller filmischen Spielerei ist der Film in unserer Realität verankert: Jakob Lass hat "Love Steaks", seinen Abschlussfilm für die HFF Potsdam-Babelsberg, tatsächlich in einem Wellness-Hotel an der Ostsee gedreht, ließ echte Angestellte, echte Typen mitspielen, die das Prinzip Leistung mehr oder weniger lässig verinnerlicht haben. Das Drehen vor Ort und mit den Menschen, die dort arbeiten, gibt dem Film einen dokumentarischen Anstrich und lässt den Kontrast von Oberfläche und Backstage umso deutlicher vor Augen treten. Die Körper der Gäste, das Fleisch in der Küche – alles muss perfekt behandelt werden, während die Angestellen sich untereinander direkt, kumpelig und hart anfassen, natürlich nur mit Worten, weil alles andere unprofessionell wäre und ins Private gehört.

Sanfter Fremdkörper im Leistungsmilieu

Im Wellness-Biotop ist Clemens ein sanfter Fremdkörper, während Lara (furios: Lana Cooper) als Trainee in der Küche sich sofort in den Umgangston einfindet, aber mit ihrer impulsiven Art und Vorliebe für Alkohol aus dem Rahmen fällt. Im Fahrstuhl weist Lara Clemens unverblümt auf seinen Schweißgeruch hin, lockt ihn daraufhin immer wieder aus der Reserve. Nachts machen sie dann das Hotel zu ihrer Spielwiese, zum Versuchsfeld, weil man eben alles lernen und ausprobieren muss, wie man massiert, wie man kocht, wie man fummelt, wie man liebt.

Planen ist schön. In einem gut gesteckten Rahmen die Dinge laufen zu lassen ist besser. An einem „dramaturgischen Handbuch“ entlang hat Jakob Lass die Schauspieler improvisieren lassen. „Fogma“ nennen er und sein Team die selbst auferlegten Regeln, die allzu Künstliches wie Studiodrehs verbieten, dafür der Spontaneität Freiraum geben, damit viel „Flow“ entsteht. Was hier fantastisch gelingt. Wie Lara und Clemens sich anziehen und abstoßen, ist komisch, berührend und ergreifend zugleich, hat eine explosive Kraft, die man selten im Kino sieht.

Lass’ Film hat erstmal erfolgreich die Festivalrunde gedreht. Jetzt kommt er gleichzeitig mit „Her“ in die Kinos und wirkt wie ein physischer Amour-fou-Gegenentwurf zu Spike Jonzes schwebendem Beziehungsfilm: In „Love Steaks“ prallen die Körper aufeinander, fließen Speichel und Blut, werden Ausdehn- und Schrumpfmöglichkeiten des Penis erörtert und auch erforscht, wird das Fleisch geküsst, geprügelt, bis es weich ist: fürs harmonische Glück? Nein, die Liebe!

 

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