„Die jüngste Tochter“: Schwierige, natürliche Selbstfindung

Der französische Film hält die Balance aus Drama, Milieustudie und der Frage, wie man sein Ich als junger Mensch entfalten kann
Adrian Prechtel
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Wer bin ich und wie sage ich’s? Fatima (Nadia Melliti) mit ihrer selbstbewussten Freundin (Ji-Min Park)
Alamode 2 Wer bin ich und wie sage ich’s? Fatima (Nadia Melliti) mit ihrer selbstbewussten Freundin (Ji-Min Park)
Wie ein Junge angezogen: Fatima (Nadia Melliti).
Alamode 2 Wie ein Junge angezogen: Fatima (Nadia Melliti).

Natürlich explodiert auch mal das arabische Milieu in den Trabantenstädten - wie spektakulär beim Filmemacher Ladj Ly in „Les Misérables“. Aber das Schöne am französischen Kino ist oft, dass es neben Wut und Revolution eben auch eine Form des Erzählens kennt, die ganz natürlich Milieus beschreibt, ohne gleich niederschmetternd zu sein, sondern eine versöhnliche, optimistische Seite einbaut.

Hafsia Herzi hat als maghrebinische Französin den Roman „La petite Dernière“ verfilmt. Es geht um eine junge Frau, die sich zwischen liebevoller, aber traditioneller Familie, Lesbisch-Sein und Religion selbst finden muss.

Die Familie von Fatima (Nadia Melliti) ist das, was man als gelungen integriert bezeichnen könnte: Man ist sehr französisch, aber hält auch an Traditionen fest. Und natürlich reiben die sich an einer modernen, liberalen Gesellschaft. Nicht nur hier, aber hier besonders stark ist „homo“ ein Schimpfwort, wird früh geheiratet, haben der Vater und die Religion noch viel zu sagen.

Die jüngste Tochter ist gut in der Schule, sie geht in die Moschee, wo sie sich beim Imam Ratschläge holt, und alle erwarten bald einen „Boyfriend“ für Fatima. Nur das genau kann sie nicht bieten, weil ihr immer klarer wird, dass sie lesbisch ist. Die innere Spannung, die sich ergibt, weil diese Gefühle ihrer Familie nicht vermittelbar sind, sie in der Schule zur Außenseiterin machen würden, führt bei ihr zu Aggression - was alle bei dem „netten Mädchen“ verwundert.

Wie ein Junge angezogen: Fatima (Nadia Melliti).
Wie ein Junge angezogen: Fatima (Nadia Melliti). © Alamode

Auch die Religion gibt keine Antworten. Und so ist der Film eine bewegende Psychostudie eines älteren Teenagers über die Frage, wie man ein Coming-out hinbekommt, wie man Gleichgesinnte findet - und die Liebe (hier in Form eines sehr lässigen asiatischen Mädchens (Ji-Min Park). Auch der Schritt in die Uni mit ihrem studentischen Milieu wird befreiend wirken.

In „Die jüngste Tochter“ ist der traditionelle Vater kein Despot, die Mutter keine unterdrückte Kopftuchfrau, sondern stark und einfühlsam und sie merkt früh, was mit ihrer Tochter los ist, kann ihr nicht sehr weit entgegenkommen, aber lässt den Kontakt zur sich in sich zurückziehenden Tochter nie abreißen. So ist „Die jüngste Tochter“ - ganz unabhängig von der Migrations- und Lesbengeschichte - ein ganz allgemeingültiger Film über die Frage, wie ein Mensch zu seinem wahren Ich findet und steht - und was die Umgebung und die Familie dazu beitragen können.

Kino: Arena, Maxim (beide OmU) R: Hafsia Herzi (F, 108 Min.)

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