Der neue Kinofilm "Mother" in der AZ-Kritik: Da blutet das Horrorherz
Wann glaubt man als Zuschauer einem Film nicht mehr? Wenn man sieht, dass auch die Schauspieler der Geschichte nicht mehr vertrauen! Denn selbst in einem Horror-Thriller mit surrealen Fantasy-Elementen muss die Psychologie stimmen, damit man gebannt bleibt.
Regisseur Darren Aronofsky gelingt das mit "Mother!“ nicht. Und es ist fast befremdend zu sehen, wie eine der talentiertesten und längt dem Teenie-Idol entwachsene Jennifer Lawrence und ein sich in jede Rolle hineinsteigernder Profi, der allein durch sein Augenbrauenspiel als Totalgelähmter schon einen Oscar gewann ("Das Meer in mir“), schauspielerisch ratlos morgendlich in der Küche sitzen.
Besetzung zu stark für schwache Story
Denn wie soll man nach einer durchwachten Nacht mit einem Mord im Haus, einem Krankenabtransport mit Herzanfall, einem pulsierenden Herz im Klo und der Entdeckung eines ätzenden Blutflecks, der sich vom ersten Stock bis in den Heizungskeller durchgefressen hat, wieder normal mit seiner Ehefrau Frühstücks-Toasts schmieren?
Aronofsky hat das so selbst ins Drehbuch geschrieben, und Javier Bardem kann diese Absurdität schauspielerisch nicht auffangen. Und dass Jennifer Lawrence den Wahnsinn mit ihrem Star-Schriftsteller-Ehemann zwei Filmstunden lang mitmacht, glaubt sie ihrer Rolle selbst nicht, für die sie ohnehin zu stark ist.
Nicht einmal die Grundthese ist spannend: Ein Künstler braucht die kultische Liebe seiner Fans als Kraftquelle, kann aber selbst keine Liebe geben, weil sein Werk alle Gefühle verschlingt. Ohne geliebt zu werden, ist die narzisstische Künstlerfigur nicht nur schöpferisch impotent.
Teils martialisch-kitschige Abschnitte
In "Mother!“ opfert der Künstler dafür sogar seinen neugeborenen Sohn, auf den seine junge, ihm dienende Madonnen-Hausfrau gesetzt hatte als Brücke zu ihrem Mann, der ihr immer fremder wird.
In einer Szene wie aus Patrick Süskinds "Parfüm“ verschlingt eine zombieartige Fan-Invasion im entfesselten, dionysischen Souvenir-Rausch Künstlerkinderfleisch.
Nach diesem Kindsopfer sieht Jennifer Lawrence als verlorene Mutter und missachtete Trophäen-Frau nur noch die Lösung einer sich opfernden Selbstverbrennung. Was noch die nötigen Horrorbilder ihrer verkohlten Schönheit liefert. Im Sterben schenkt sie ihrem Mann noch ihr Herz – wörtlich: Denn Javier Bardem darf dieser Mater dolorosa noch das edle Herz aus der verbrannten Brust rausreißen. Das ist brutaler, durch katholische Ikonografie noch pervers aufgeladener Herzschmerzkitsch, aus dessen Asche sich noch – ganz modern – ein Diamant als unzerstörbare Liebesbeweis-Essenz pressen lässt.
Gegen solchen verquasten Wahnsinn können Lawrence und Bardem als durchaus spannend ungleiches Ehepaar bei aller Kunst letztlich nicht anspielen. Schade, denn Aronofsky war ein dunkler Meister im Ballerina-Thriller "Black Swan“ mit Natalie Portman oder konnte Gefühle intensiv ins Publikum spielen wie in "Wrestler“ mit Mickey Rourke. Aber diesmal scheitert er.
"Mother!“ ist ein psychologisch unglaubwürdiger, fahriger Horrorthriller mit Durchhängern und bemühten Metaphern geworden, der am Ende nicht einmal richtig aufgeht.
Kino: Gloria, Cinemaxx, Müncher Freiheit, Mathäser sowie Museum und Cinema (OV)
Buch und Regie: Darren Aronofsky
(USA, 120 Min.)
- Themen:
- Jennifer Lawrence